Kolumne Gerüchte: Das Küchenuhr-Prinzip
Bei Frauenfreundschaften sollten wir von den Männern klauen. Die können Distanz.
In der Wellness-Werbung wird ja manchmal das Bild vermittelt, Frauenrunden sitzen vornehmlich in sonnigen Ayurveda-Resorts zusammen, Handtücher um den Kopf gewickelt, und plaudern über ihre Gewichtsschwankungen und ihren Lomi-Lomi-Masseur. So ist es vielleicht manchmal. Aber nicht immer.
"Das Wichtigste ist, in den Klamotten keine Kältebrücke entstehen zu lassen", sagt Britt, "dann kannst du auch bei zehn Grad minus stundenlang laufen." Wir sind zu unserer Winterwanderung im Grunewald gestartet, sie hat ihr neues Navigationsgerät dabei. Ich möchte lange laufen, ich habe Stress. Nicht mit Christoph, sondern mit Theresa, die mit mir "eine längere Kontaktpause" will, weil ich kalt wie ein Polarfisch sei.
Frauenfreundschaften sind ja einerseits schwer im Kommen - sogar die evangelische Kirchenchefin Margot Käßmann widmet ihr neues Buch "meinen Freundinnen". Aber Frauenfreundschaften sind kein Zuckerschlecken. Ich habe mir in Selbsthilfe diverse Techniken ausgedacht. Muss natürlich nicht klappen.
Technik eins ist das "Küchenuhrprinzip". Wenn Theresa mich am Telefon zuquatscht oder ich schon länger von mir erzählt habe, werfe ich einen Blick auf unsere Küchenwanduhr. Nach einer halben Stunde lenke ich das Gespräch entweder auf mich um oder von mir ab, um eine Gleichverteilung der Aufmerksamkeit zu erreichen. So was machen auch Leute in Paartherapien.
Die zweite Technik besteht im Themenmanagement. Während Männer angeblich viel über Fußball und ihre Erfolge miteinander reden, kleben Frauen gerne an ihren Defiziten. Auch bei Theresa versuchte ich neulich, das Thema auf die faszinierende Technik des "Avatar"-Films, geeignete Rodelbahnen für mittelalte Frauen und die Vorteile einer Salatschleuder zu lenken. Für diese Ressourcentechnik bezahlen manche Leute doch Therapeuten. Nur Theresa, die dumme Kuh, sieht das anders. Sie findet, ich würde ihre Probleme "einfach nicht aushalten".
Technik Nummer drei besteht in der geschickten Giftentsorgung. Gaby ist da Spezialistin. Sie erzählt in Gesprächen mit Freundin A. gerne mal etwas Giftiges über Freundin C. Der Giftsack, den jede mit sich herumschleppt, der muss schließlich irgendwo geöffnet werden, um das Zeug abzulassen. Man muss ja nicht immer alle Ressentiments gegenüber Freundinnen diesen höchstpersönlich selbst vortragen. Wobei natürlich niemals Freundin B. gegenüber Freundin C. etwas über den Giftsack von Freundin A. mit den Ressentiments gegenüber Freundin C. weitererzählen darf … Giftentsorgung ist nicht einfach.
Womit wir bei Technik Nummer vier sind. Das "Aussparen" ist eine große Kunst, Männer sind da gut. Auch ich mache neuerdings ungefragt keine Bemerkungen mehr über schwellende, schrumpfende oder zerfallende Körperformen meiner Freundinnen, über schlecht sitzende Mäntel oder falsche Entscheidungen, die sie irgendwann mal getroffen haben. Ich stelle mir vor, dass mein ungesagter negativer Gedanke in der Erde vergraben wird wie organischer Abfall. Schönes Bild. Nur neulich bei Theresa, also ihr Gejammer über K., dieses Selbstmitleid, da musste ich doch was sagen!
"Ach, mit Theresa", sagt Britt, "ihr braucht einfach mehr Distanz." Britt hat keine Lust auf das Thema, manchmal kann sie wirklich abweisend sein. Heute sind alle ein bisschen gegen mich. Auf dem Display von Britts Navigationsgerät ist jetzt eine Kurve zu sehen. Offenbar stapfen wir durch den Schneewald wieder zurück. Wenigstens schleppt mich Britt nicht in irgendein Wellness-Ressort. Und die Spur unserer Wanderung, also das wird eine schöne Ellipse.
Leser*innenkommentare
lea
Gast
Bin ich froh, dass ich keine Frau bin!
Ihr freundlicher Garmin-Zwischenhändler
Gast
Sehr geehrte Frau Dribbusch,
vielen Dank, dass Sie das Garmin etrex im Zusammenhang mit Ihrer Winterwanderung erwähnt haben.
Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass dies noch nicht alle Bedingungen für unser Public-Relations-Honorar erfüllt.
Kleiner Tipp: erwähnen Sie es doch am Ende, im Sinne einer "schließenden Klammer", noch einmal. Überdies hätten wir uns über eine (subtile) Einbettung in einen positiven Kontext gefreut, etwa dass Sie die Wanderung genossen haben und dass Ihnen das Garmin etrex wertvolle Dienste geleitet hat.
Wir verbleiben mit Hoffnung auf eine weiterhin fruchtbare Zusammenarbeit,
Garmin Berlin
anke
Gast
Wer oder was, um Himmels Willen, ist Lomi Lomi? Ein Volksstamm in der Karibik? Eine Inselgruppe westlich von Afrika? Ein südamerikanischer Geheimorden? Ich fürchte fast, es handelt sich dabei um eine der vielen kleinen Kältebrücken, die das "Prinzip (Frauen-)Freundschaft" so unbehaglich machen für mich.
Wissen Sie was, Frau Dribbusch? Freundschaften, die in Arbeit ausarten und nur von Leuten zu bewältigen sind, die sich minutiös an die grundsätzlich und für JedeN geltenden Regeln halten, sind meiner Ansicht nach etwas für narzistische Perfektionisten - oder für perfektionistische Narzisten. Ich bin, fürchte ich, beides nicht. Weswegen mir ganz persönlich auch weder das "Küchenuhrprinzip", noch das "Prinzip Giftsack" und auch nicht das "Aussparen" wirklich sympathisch sind. Besonders wenig kann ich mit dem von Ihnen empfohlenen "Themenmanagement" anfangen. Überhaupt bilde ich mir schwer was drauf ein, dass ich auf die Selbstvergewisserungsstrategien pfeife, mit denen meine GeschlechtsgenossInnen üblicherweise versuchen, ihren FreundInnen, vor allem aber ihrem Lieblingsselbstporträt gerecht zu werden. Schade, dass nicht viel mehr Frauen (und Männer) das selbe tun. Eine Freundschaft, die ohne erklärtes Ziel und große rituelle Geste auskommt, dafür aber auf der gegenseitigen Neugier der Beteiligten basiert, wäre zur Abwechslung was ausgesprochen herzerwärmendes, finden Sie nicht auch?