die wahrheit: Sparen auf griechisch

Wie die Griechen sich aus dem Sumpf ziehen.

Frank Dobring ist sauer. "Seit zwanzig Jahren fahre ich jedes Jahr nach Griechenland in Urlaub - und jetzt das!" Empört zeigt der Werkzeugmacher aus Bad Schussenried auf den griechischen Bauernsalat, den ihm Giorgos, der Wirt seiner Stammkneipe auf Mykonos, gerade serviert hat. Schaut lecker aus für den unvoreingenommenen Betrachter, doch der 42-jährige Dobring echauffiert sich: "Das soll ein griechischer Bauernsalat sein? Gerade mal drei Oliven und ein Brocken Feta - da lachen ja die Hühner. Das ist ein einziges Feta-Debakel!" Der herbeizitierte Wirt verteidigt sich halbherzig. "Was soll ich machen? Ist neues Gesetz aus Athen - darf nur noch 20 Gramm Feta auf Bauernsalat. Griechenland muss sparen."

So wie Frank Dobrink wird es dieses Jahr vielen Urlaubern an Hellas Gestaden ergehen. Hirtensalat mit akutem Käsemangel, Gyros-Teller im Miniaturformat und der Ouzo nach dem Essen geht auch nicht mehr aufs Haus. Schwacher Trost für übergewichtige Urlauber wie Frank Dobring: "Das einzig Gute an dem ganzen Schlamassel ist, dass der Grieche jetzt endlich mal weniger Öl ans Gemüse kippt." Wohl wahr - der drohende Staatsbankrott hat tiefe Schneisen ins hellenische Gastronomieangebot geschlagen. Die EU-Zwangsverwaltung der griechischen Finanzen bedeutet für die Tavernen zwischen Thessaloniki und Athen eine Politik der verbrannten Herde.

Aber nicht alle Griechen sind gewillt, sich widerstandslos unter Kuratel stellen zu lassen. Neue Einkommensquellen sollen zu einer dauerhaften Sanierung des griechischen Staatshaushalts führen. "Wir haben der Welt so viel geschenkt", betont Jannis Papadopoulos, Taxifahrer in Athen, "Philosophie, Psychologie, Souvlaki - da erwarten wir ein bisschen mehr Respekt." - "Nicht zu vergessen die Anarchie", pflichtet ihm Kostas Tsarianlis bei.

Der vollbärtige Juraprofessor ist Berater der Regierung und arbeitet gerade unter Hochdruck - das bedeutet in Griechenland volle drei Stunden Arbeit am Tag - an einem Masterplan zur Generierung griechischer Mehreinnahmen. Tsarianlis ist Spezialist für Urheberrecht und sieht in der weltweiten Verbreitung griechischer Wörter einen riesigen Goldschatz, den es nur zu heben gelte. "Wir orientieren uns am Geschäftsmodell von Internetfirmen wie Google - bei jedem Klick auf eine Anzeige wird da eine geringe Gebühr fällig. Genauso stellen wir uns das auch vor: Bei jeder Nutzung eines griechischen Fremdwortes ist in Zukunft eine Lizenzgebühr zu entrichten. Wir haben das komplizierte Zählverfahren schon patentieren lassen und der Europäischen Kommission zur Entscheidung vorgelegt."

Kann die geplante Fremdwort-Abgabe weltweit durchgesetzt werden, wird Griechenland in Zukunft mit Sicherheit zu einem der reichsten Länder Europas aufsteigen, denn die findigen Hellenen verlangen nicht nur Gebühren für den aktuellen Gebrauch griechischer Wörter, sondern auch eine hochgerechnete Pauschalvergütung für die entgangenen Einnahmen der letzten zweitausend Jahre. Doch damit nicht genug: Wenn es nach Professor Tsarianlis geht, müssen sich Firmen mit griechischem Markennamen schon bald sehr warm anziehen. "Alfa-Autos, Omega-Uhren - diese alteingeführten Marken kennt jedes Kind. Und deshalb sind sie Millionen wert, wenn nicht Milliarden. Da werden wir nicht länger tatenlos zuschauen, wie auf dem Rücken Griechenlands Geschäfte gemacht werden, ohne dass wir davon profitieren."

Starke Worte, mit denen der clevere Makler hellenischer Interessen Angst und Schrecken in vielen Chefetagen verbreitet. Eines ist sicher: Sollte die Doppelstrategie aus rigidem Sparkurs und der Schaffung neuer Geschäftsfelder anschlagen, könnte sich das stolze Volk der Hellenen schneller als gedacht an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. Und Tsarianlis ist noch längst nicht am Ende seiner Überlegungen. "Wir lassen nicht länger zu, dass mit dem Erbe unserer Väter Schindluder getrieben wird. Die Olympischen Spiele, jeder Marathonlauf, die vielen Demokratien - alle werden sie zahlen müssen.

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kari

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