Neubau für die Topographie des Terrors ist fertig: Neues Museum am Ort der Täter
Im Mai wird der Neubau des NS-Dokumentationszentrums eröffnet. Die Besucher treffen auf ein neues Haus und ein neues, umfassendes Ausstellungs- und Nutzungskonzept. Kritik am Bau geht weiter.
Bagger machen sich draußen mit schwerem Gerät über letzte Erdarbeiten her. Drinnen hingegen sitzt schon fast alles an seinem Platz: Das neue Bauwerk der Architektin Ursula Wilms für das NS-Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" ist fertiggestellt, ebenso komplett ist das veränderte Nutzungs- und Ausstellungskonzept.
"Wir haben die Ausstellung auf dem Gelände der Topographie des Terrors neu konzipiert und in drei Schwerpunkte eingeteilt: die Geschichte des NS-Terrors, des Ortes und dessen Auswirkungen auf die gesamte Stadt", sagte Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, am Montag bei einer ersten Führung über das Areal für Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses, den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Pressevertreter.
In gut vier Wochen, am 6. Mai 2010, wird Bundespräsident Horst Köhler das wichtigste Museumsprojekt Berlins in diesem Jahr eröffnen. Damit endet ein 23 Jahre andauerndes Provisorium in der Stadtmitte ebenso wie ein langer, heftiger Streit über ein festes Haus für die Topographie, über Kosten und verschiedene Architektenentwürfe (siehe Kasten). Alice Ströver (Grüne) und Brigitte Lange (SPD), beide kulturpolitische Sprecherinnen ihrer Fraktionen, sprachen von "guten Ende einer unendlichen Geschichte und dem erfolgreichen Kampf für das Projekt der Topographie", das einst mit bürgerschaftlichem Engagement initiiert worden war.
1987 machten Bürger den zugewucherten Ort an der Mauer öffentlich zugänglich mit der Dokumentation: "Topographie des Terrors. Gestapo, SS und das Reichssicherheitshauptamt auf dem Prinz-Albrecht-Gelände".
1994 gewann der Schweizer Architekt Peter Zumthor den Bauwettbewerb für das Museum.
1997 entstand im Kellergraben die bisherige Topographie-Ausstellung. Der Baufortgang verzögert sich.
2000 stoppte der Bau endgültig, weil die Kosten explodierten.
2005 wurde ein neuer Architektenwettbewerb ausgelobt. Die Betontürme Zumthors wurden abgerissen.
2006 gewann die Architektin Ursula Wilms den Wettbewerb, der Bau ist seither im Zeitplan, 2010 wird das NS-Dokumentationszentrum eröffnet.
Der alte "Ausstellungsgraben", erläuterte Nachama, wird nach seiner Sanierung auch wieder Teil der Präsentation werden. "Doch wir zeigen hier nicht mehr die Biografien der Täter und Nazischergen, sondern die komplexe Geschichte des Ortes an der Wilhelmstraße, von dem der NS-Terror 1933 seinen Ausgang nahm." Von hier aus führt das neue Konzept die Besucher über weitere 15 Open-Air-Stationen auf dem Gelände bis zum südlichen Robinienwäldchen. Dort dokumentieren Tafeln und Bilder die Ausstrahlungen der einstigen SS- und Gestapo-Zentrale auf das städtische Umfeld bis hinauf zum Reichstag und seine spätere Nachkriegsrolle als lange vergessener, "verdrängter" Ort Berlins an der Mauer.
Im Zentrum aber, auf 1.800 Quadratmeter Fläche in dem 25 Millionen Euro teuren Neubau, soll die "NS-Terrorgeschichte in Deutschland und den besetzten Ländern, sollen die Täter sowie deren Rolle nach 1945 stehen", sagte Nachama. Dieses Kapitel zeigt die eindringlichsten Dokumente des NS-Terrors: Fotos der Täter um SS-Chef Himmler, deren Mordpläne und brutale Umsetzung in KZs, auf den Straßen Osteuropas oder in den eigenen Folterkellern. "Es soll aber keine Ballung von grausamen Bildern gezeigt werden", erklärte Nachama. "Die Ausstellung soll nüchtern gehalten werden, wie es zu dem nüchternen Bauwerk passt."
Der eingeschossige Bau mit seiner grauen Metallfassade hält neben der Dauerausstellung noch Flächen für Sonderschauen bereit. Die erste Sonderausstellung wird sich dem "Eichmann-Prozess" vor 50 Jahren widmen und viel mit den neuen visuellen Medien in der "Topographie" arbeiten. Nachama: "Dieser Prozess war ja der erste, der vollständig gefilmt wurde." Ausgebaut wird schließlich die wissenschaftliche Abteilung des NS-Dokumentationszentrums im Souterrain des Hauses. Dort sind ein Forschungszentrum, eine Bibliothek, Archive und Medienplätze untergebracht, die um den Innenhof mit Wasserbecken gruppiert sind.
Während Wowereit das Haus wegen seiner "guten Funktionalität und Transparenz" lobte, weinten auch am Montag ein paar Abgeordnete dem 2005 gekippten spektakulären Entwurf von Peter Zumthor nach. Dessen Planung für ein Gebäude aus schlanken Betonstelen hatte 1994 den Bauwettbewerb gewonnen, war aber an der Kostenexplosion auf schätzungsweise 60 Millionen Euro und Realisierungsschwierigkeiten gescheitert. Sowohl Uwe Lehmann-Brauns (CDU) als auch Oliver Schrouffeneger (Grüne) sprachen dem Neubau nun eine eigene Architekturhandschrift ab, die mit dem Jüdischen Museum mithalten könnte. Schrouffeneger äußerte gar Umbauabsichten - "vielleicht schon in 5 Jahren".
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