Eskalation in Bangkok: Granaten auf Demonstranten
Zahlreiche Demonstranten wurden verletzt nachdem in den Straßen von Bangkok mehrere Granaten explodierten. Mindestens drei Menschen sollen dabei getötet worden sein.
BANGKOK taz | Die Einschläge sind ohrenbetäubend, dann folgen Schreie und Sirenen. Mehrere Ambulanzen rasen die Straße hinunter. Eine Frau wird auf eine Bahre gehoben, ihr Bauch ist voller Blut, ihr Gesicht schmerzverzerrt. Nahe des Eingangsbereichs der Silom, der Kreuzung mit der Hochbahnstation Sala Daeng, sind Fensterscheiben zu Bruch gegangen, Blut tropft von Treppenstufen. In der Nacht zu Freitag wird die Silom, Bangkoks Büro- und Bankenmeile, zum Schauplatz von Gewalt und Chaos.
Im Laufe des Abends werden mindestens fünf M-79-Granaten abgefeuert. Dabei stirbt eine 26-jährige Thailänderin, mehr als 75 Menschen werden verletzt. Die Regierung macht die ihrer Ansicht nach Schuldigen rasch aus: Die Angriffe seien von der Seite der Rothemden ausgegangen, sagt die nationale Sicherheit zuständige Vizepremier Suthep Thaugsuban. Die Roten, die sich jenseits der Kreuzung verbarrikadiert haben, bestreiten das. Vielmehr mutmaßen ihre Anführer, Provokateure hätten ihre Hand im Spiel gehabt, um eine gewaltsame Niederschlagung der Roten durch die Armee zu legitimieren.
Anzeichen für neue Konfrontationen gab es schon seit Tagen. Neuerdings findet sich an der Silom täglich eine Gruppe von Demonstranten ein, die sich selbst "Mehrfarben-T-Shirts" nennen, darunter Anwohner aus der Umgebung. Sie unterstützen Premier Abhisit Vejjajiva und wollen, dass die seit Wochen demonstrierenden Rothemden aus Bangkok verschwinden.
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Eine junge Frau in gelbem T-Shirt ist besonders wütend: "Die Rothemden sollen endlich mit ihren Protesten aufhören, damit hier wieder Ruhe einkehrt." Sie heißt Rose und erzählt, sie habe einen Souvenirladen an der Ratchaprasong-Kreuzung - nahe des Einkaufsviertels, das die Rothemden seit Anfang April besetzen. "Die Roten sind doch alles dumme Leute aus dem armen Nordosten", meint sie verächtlich.
"Die sind doch nur da, weil sie von Expremier Thaksin Shinawatra dafür bezahlt werden." Der 2006 vom Militär gestürzte Thaksin solle im Exil bleiben, sagt Rose. Ihre Mitstreiter denken genauso: "Wir sind hier, um unsere Monarchie und unser Land zu schützen", sagen sie. Auf Schildern ist der Spruch zu lesen: "Wir haben bereits Demokratie, was wollen die Roten noch?"
Was an den letzten beiden Abenden als Austausch wüster Beschimpfungen zwischen den "Mehrfarbigen" und den "Roten" begann, endete in kurzen Straßenschlachten: Einige warfen Flaschen und Steine. Je später es wurde, desto mehr bildete sich auf Seiten der Regierungsanhänger ein Mob aus jungen Männer. Diese griffen innerhalb der Silom mehrere Menschen an, denen sie unterstellten, zu den Roten zu gehören oder mit ihnen zu sympathisieren.
Neue Gewalt zwischen den rivalisierenden Lagern scheint programmiert, wenn nicht erneut verhandelt wird. Einer der Rothemdenführer schlug nun vor, das Parlament innerhalb von 30 Tagen aufzulösen - statt sofort wie ursprünglich gefordert. Eine Antwort der Regierung stand zunächst aus. Letztere erscheint zunehmend hilflos, nachdem vor zwei Wochen ein gewaltsamer Versuch, die Proteste der Rothemden zu beenden, blutig endete. Armeechef Anupong Paochinda, dessen Stellvertreter damals das Kommando geführt hatte, hatte sich darauf vom gebeutelten Premier distanziert.
Er forderte Abhisit auf, das Parlament aufzulösen, falls keine politische Lösung gefunden werde. Die Anwendung von Gewalt durch das Militär schloss Anupong am Freitag erneut aus.
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