Landschaftsarchitektur: "Manche nennen das Teletubby-Land"

Heute vor zehn Jahren eröffnete Volkswagen in Wolfsburg den Freizeitpark Autostadt. Die Gestaltung der Freiflächen übernahm der Hamburger Landschaftsarchitekt Hinnerk Wehberg. Ein Protokoll.

Ausgeglichene Autostadt: links der gerade männliche und rechts der geschwungene weibliche Teil. Bild: dpa

Die Pavillons der Autostadt, in denen sich die Marken des Konzerns wie Audi, Skoda oder Seat präsentieren, standen in unseren Plänen ursprünglich gleich geordnet nebeneinander aufgereiht am Kanal. Dann wurde deutlich: Das machen die Piëchs und die Fürsten der anderen Marken nicht mit. Jeder der Chefs möchte sich gerne wiederfinden, und er findet sich nicht darin, dass er eine Architektur hat, die nebeneinander angeordnet ist.

Ich habe mich dann erinnert an die Neue Pinakothek in München: Dort gibt es zwei Säle, in denen Bilder an der Wand hängen, und dann kommt ein Raum mit verglasten Wänden, in dem hängen keine Bilder. Da kuckt man in die Natur. Ich habe gefragt: "Warum habt ihr das gemacht?" Sie sagten: "Man ist nicht in der Lage, nach so vielen Bildern noch weitere in sich aufzunehmen. Es ist notwendig, eine Pause zu machen für die Augen und den Kopf." Also habe ich gedacht: Eine Pause zwischen den Pavillons ist notwendig, um die Bereitschaft zu erzeugen, den nächsten Pavillon zu betreten.

Der Kanal daneben wird als eine absolut notwendige Begrenzung begriffen. Wenn das eine Wiese wäre oder ein Park, dann würde jeder von einem Pavillon zum nächsten kreuz und quer laufen. Aber durch das Wasser kann man die Leute hervorragend leiten, von einem Pavillon zum anderen. Man kann die Landschaft inszenieren, wenn man die Topografie so überhöht, dass man das nächste Ziel noch nicht sieht und eine Überraschung entsteht. Manche Kollegen nennen das "Teletubby-Land", wenn sie ein bisschen böse sind. Teletubby-Land. Damit habe ich kein Problem.

Die Autostadt ist ein Freizeitpark, den Volkswagen zu Werbezwecken hat errichten lassen. Der Park nimmt eine Gesamtfläche von 25 Hektar ein, kostete 430 Millionen Euro und wurde am 1. Juni 2000 eröffnet.

In einer Lagunenlandschaft verteilen sich die Pavillons, in denen sich die Marken des Konzern präsentieren - VW, Audi, Lamborghini, Seat, Skoda, VW Nutzfahrzeuge und Luxuslimousinen wie zurzeit Bugatti.

Im Zeithaus wird die Geschichte des Automobils dargestellt.

Ausstellungen thematisieren Nachhaltigkeit, Umweltschutz und soziale Kompetenz.

Kulturveranstaltungen, vor allem das mit Weltstars bestückte Tanz- und Musikfestival Movimentos, bilden Höhepunkte im Jahresprogramm der Autostadt.

Gegessen werden kann in insgesamt 13 Restaurants.

stammt aus Osnabrück und ist einer der profiliertesten Landschaftsarchitekten Deutschlands. Mit seinem Hamburger Büro gestaltete er unter anderem die neuen Elbterrassen in Hamburg, die neue Messe in Leipzig und die Autostadt in Wolfsburg. In Oldenburg wird der Entwurf des Büros für den Schlossplatz realisiert.

Als der Plan fertig war, gab es eine Anordnung von VW, dass eine Feng-Shui-Expertin die Planung zu überprüfen hätte. Ich durfte den Plan der Frau erklären. Im Feng-Shui sind die Ostkräfte besonders wichtig - die konnten bei uns frei ins Gelände, das ist wunderbar. Aber was ist mit den schädlichen Kräften aus dem Westen? Können die auch ins Gelände? Ich sagte: "Gnädige Frau, kucken sie mal auf den Stadtplan. Im Westen des Kanals sind mindestens fünf Kilometer Werksgelände mit massiven Hallen. Ob die schädlichen Kräfte da noch was ausrichten können?" Dann sagte sie: "Alles klar."

Dann gibt es diese Brücke, die über den Kanal geht. Das ist eine Achse, die fängt oben bei der Hütte von Porsche an und geht die Porsche-Straße entlang bis zum Schloss. Die sollte frei durchs Gelände gehen. Allerdings stand da das Gebäude vorne am Kanal. Da sagte sie: "Das geht nicht. Diese Riesenkraft, die da ankommt und voll gegen die Fassade ballert. Das kann man nicht machen." Ich sagte: "Was sie nicht sehen können: Die Brücke bildet eine Kanzel, bevor sie das Gebäude erreicht. Eine Treppe löst sich vorher nach unten." Dann haben wir den Fahrstuhl so davor gestellt, wie man ihn nie davor stellen würde. Dann haben wir noch eine Pyramideneiche und eine Trauerweide gepflanzt. Wir hatten das Gefühl, dass da was nicht in Ordnung ist. Dann sagt sie: "Damit ist die Sache erledigt."

Sie hatte gesagt, das Männliche und das Weibliche, Ying und Yang müssten ausgewogen sein. Sie kuckte sich den Plan an und sagte: "Das ist der Fall." Ich dachte: "Wieso ist hier etwas ausgeglichen? Was ist das Männliche und was das Weibliche? Erkennt man das?" Ich habe mir erklären lassen, dass das Männliche das gerade Geführte und das Weibliche das Geschwungene ist. Am Plan der Autostadt ist der eine Teil mit Kanal, Haus und Promenade hinter dem Haus geradlinig gerichtet. Und der andere Teil ist geschwungen mit den Pavillons und den Hügeln. Das ist im Verhältnis 50:50. Das hat die Dame gemeint.

Ich habe dann gemerkt, dass man ganz viele von den Regeln, die ich an der Kunstschule mal beigebracht bekommen habe, mit Feng Shui erklären kann. Bei uns sind die Regeln vom goldenen Schnitt, von Proportionen im Laufe von Jahrhunderten weitergegeben worden. Ich vermute, dass sich die Erfahrungen mit dem Bauen im Osten wie im Westen über viele Jahre angesammelt haben. Das ist wie ein Grundwissen, während sich formale Gestaltungsmittel im Lauf der Zeit ändern.

Mein Traum war immer das Gesamtkunstwerk. Das ist eine Arbeit, in der der Städtebau, die Landschaftsplanung, die Architektur und die bildende Kunst mit frei stehenden Plastiken oder Ähnlichem wie eine Einheit dastehen.

Die Autostadt wird in der Literatur als Gesamtkunstwerk betrachtet. Es wird manchmal gesagt, es sei nicht immer die tollste Architektur. Kann wohl sein. Das ist auch schwierig, wenn fünf, sechs Architekten ein Gesamtkunstwerk mit einem Landschaftsarchitekten machen müssen.

Der Zusammenhang der Autostadt mit Wolfsburg ist eine heikle Geschichte. Ich habe gelernt: Den König, von dem man abhängt, liebt man nicht unbedingt. Das ist eine Grundhaltung, die zwischen Stadt und Werk ewig vorhanden war. Die sich aber allmählich verändert: Der Kanal war die Grenze zwischen Stadt und Werk. Der Sprung über den Kanal hat die Verhältnisse verändert.

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