Wortklauberei: Muffe unter Hochdruck

Ölloch, Koch, Köhler und kein Ende: Das schmutzige Geschäft mit der Muffenverpressuung hat Zukunft.

Haidhausen im ewigen Herbst. Gegenüber steht wieder der Wagen jener Firma geparkt, die - groß stehts auf dem gelben Kleinbus - den Service der "Muffenverpressung" anbietet. Sie scheint in letzter Zeit viel zu tun zu haben. Muffenverpressung hat Hochkonjunktur.

Es ist doch so: Morgens springt der Radiowecker an, und noch bevor du der Schlummernden neben dir über den Bauch gestrichen hast, hats dir schon die Muffe verpresst. Erstmals seit ich Nachrichten verfolge, blende ich etwas bewusst aus, aus psychischem Selbstschutz. Es ist die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Ich halte das nicht aus. Ich ertrage es nicht, mehr darüber zu erfahren. Wenn was im Radio kommt, mache ich leiser. Zeitungsberichte überblättere ich, wie ein Phobiker. Diese Sache hat eine Dimension von Grässlichkeit, die mir so tief drin die Muffe verpresst, dass ich fürchte, über weiteren Informationen lahm und gram zu werden. Ich habe halb mitbekommen, wie sie nun versuchten, "schweren Schlamm" in das Bohrloch zu "schießen". Jetzt hört man, dass Obama "den Druck auf die Ölindustrie verschärft", worauf man hysterisch kichernd das Radio noch leiser macht, dass diskutiert wird, "wie verhindert werden kann, dass sich eine solche Katastrophe wiederholt". Wiederholt? Sie läuft ja noch. Vielleicht reicht sie am Ende ja aus?

Wenigstens gibts auch balsamartige Meldungen. Roland Koch, jene menschgewordene Muffenverpressung, die der deutschen Sprache die hochbescheuerte Vokabel "brutalstmöglich" zugefügt hat, seilt sich … Pardon: zieht sich aus der Politik zurück. Er bekomme von vielen Leuten "wunderbare Reaktionen" auf diese Entscheidung, wie er der ihn umschleimenden Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in die Muffe presste. Verständlich. Auch ich reagiere hiermit absolut wunderbar auf Roland Kochs Rückzug aus der Politik und die damit verbundene Aussicht, seine kummerbringende Präsenz nicht mehr auf meinem Gemüt lasten zu wissen. Vielleicht sehen das ja bald auch jene professionellen Muffenverpresser so, die jetzt den Verlust dieses "politischen Talents" beklagen, über Kochs "von den Medien verzerrtes Image" schwadronieren und davon, dass er persönlich "viel liebenswürdiger" sei, als er im Fernsehen wirkt; Letzteres heißt es übrigens auch von dem Ölloch vor Louisiana - ich kann und will es so wenig überprüfen wie bei Koch, und es tut auch genauso wenig zur Sache.

Schon interessiert der Hesse eh nicht mehr, weils bereits dem Nächsten die Muffe verpresst hat. "Nach dem Rücktritt von Horst Köhler als Bundespräsident dreht sich in Berlin alles um seine Nachfolge", sagt der Nachrichtensprecher, und man fragt sich, ob die geballte Arbeitskraft von "allem" nicht gerade sinnvoller anderswo gebunden wäre. Und so eine Nachfolgerei kostet ja auch Geld. Nicht zuletzt deshalb unterstütze ich den Vorschlag eines Bloggers, doch den guten alten Guildo Horn zu küren. Der hat uns a) alle lieb, hat b) Herzensbildung und Verstand und heißt c) bürgerlich - ja! - Horst Köhler. Nicht auszudenken, was sich von dem für Briefpapier etc. gesparten Geld an Muffen verpressen ließe!

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