Mitbestimmung der EU-Bürger: Gesammelt wird schon
Arbeitsfreier Sonntag oder Finanztransaktionssteuer - die ersten Initiativen für ein Bürgerbegehren auf europäischer Ebene sind bereits angelaufen.
BRÜSSEL taz | Man könnte meinen, es ginge um einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Am 19. Mai machte der CSU-Europaabgeordnete Martin Kastler den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel freundlich darauf aufmerksam, dass dessen angekündigtes Bürgerbegehren zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer keineswegs die erste Initiative dieser Art sei. "Christliche Initiativen und die Allianz für den arbeitsfreien Sonntag starteten bereits Mitte Februar das erste europäische Volksbegehren und nicht die SPD!", darauf beharrte Kastler.
Die Sozialisten haben noch keine Internetseite eingerichtet, wo Bürgerinnen und Bürger bereits unterschreiben könnten. Sie wollen lediglich Druck machen, damit die Verordnung spätestens im Herbst in Kraft tritt und die Initiativen mit ihren Unterschriftenaktionen starten können.
So lange wollte die CSU nicht warten. Unter dem Motto "Sonntags gehören Mami und Papi uns" wirbt der Arbeitnehmerflügel der Christsozialen um Unterzeichner, die von der EU-Kommission eine entsprechende Änderung der Arbeitszeitrichtlinie verlangen sollen. Die Arbeitszeitrichtlinie muss überarbeitet werden, doch bislang konnten sich Rat und Parlament nicht auf einen Kompromisstext einigen.
Unter www.free-sunday.eu hätten sich bereits 16.000 Unterstützer des arbeitsfreien Sonntags eingetragen, berichtet Kastler stolz. Allerdings kann die Anti-Gentech-Initiative von Greenpeace auf mehr als 850.000 Unterschriften verweisen. Lange bevor am 1. Dezember der Lissabon-Vertrag in Kraft trat, starteten liberale EU-Abgeordnete eine EU-weite Unterschriftenaktion mit dem Ziel, den Straßburger Parlamentssitz abzuschaffen.
Die Internetseite www.oneseat.eu hatte die Million am 18. September 2009 überschritten und kann für sich beanspruchen, die erste europaweite Unterschriftenaktion zu sein, die die Anforderungen des neuen Instruments erfüllen würde. Einen Schönheitsfehler hat das Projekt allerdings: Es würde im Filtersystem der EU-Kommission hängen bleiben. Denn für die Frage, wo das Parlament tagt, ist keineswegs die Europäische Gemeinschaft zuständig. Das machen die Mitgliedsstaaten untereinander aus - und zwar einstimmig. Solange Frankreich von seinem Vetorecht Gebrauch macht, müssen die EU-Abgeordneten weiterhin zu den Plenarsitzungen nach Straßburg fahren.
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