SENAT STARTET KAMPAGNE: Gegen Gewalt im Wohnzimmer

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft legt eine neue Kampagne gegen häusliche Gewalt auf. Denn viele Opfer wissen nicht, an wen sie sich wenden können, um Hilfe zu bekommen.

Sie werden hinter verschlossenen Türen misshandelt, in ihren eigenen vier Wänden gedemütigt und geschlagen. Im vergangenen Jahr waren laut Kriminalstatistik rund 16.000 BerlinerInnen Opfer häuslicher Gewalt. Vor allem Frauen. Doch viele Betroffene wissen trotz Öffentlichkeitsarbeit der Beratungsstellen nicht, an wen sich sich wenden können. Deshalb hat die Senatsverwaltung für Wirtschaft einmal mehr eine Kampagne gegen häusliche Gewalt gestartet. "In den vergangenen Jahren hatten wir damit Erfolg", sagte Senator Harald Wolf (Linke) bei der Vorstellung der Kampagne am Mittwoch.

Laut Polizei steigt seit 2006 die Zahl derer, die ihr Martyrium bei der Polizei anzeigen und sich Hilfe holen. Wolf erklärt das damit: "Die Betroffenen werden mutiger, weil durch die Kampagnen das Thema aus der Versenkung geholt wurde." Eine Beraterin der Telefonhotline "BIG" (Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt), die aus Sicherheitsgründen ihren Namen lieber nicht nennen will, vermutet, der 2006 eingeführte "proaktive Ansatz" der Senatsverwaltung habe inzwischen Wirkung gezeitigt. "Pro aktiv" bedeutet: Wenn die Polizei einen gewalttätigen Mann aus einer Wohnung wirft, nimmt BIG mit der Frau, die von häuslicher Gewalt betroffen ist, Kontakt auf.

Das Fatale an dieser Form der körperlichen und seelischen Misshandlung: Die Frauen werden zu Hause unterdrückt, Nachbarn, Freunde oder Verwandte sind da oft hilflos. Denn wann hört ein gewöhnlicher Ehekrach auf und wo fängt häusliche Gewalt an? "Häusliche Gewalt meint Gewalt und Unterdrückung in der Partnerschaft", erklärte die Beraterin. Physische Gewalt, sexuelle, aber auch psychische. Wenn Frauen nicht aus dem Haus dürfen, wenn Ehemänner und Partner das Treffen mit der besten Freundin verbieten. Wenn der Partner seine Partnerin in finanzieller Abhängigkeit hält, sie erniedrigt.

BIG bietet diesen Frauen eine Erstberatung am Telefon, eine erste Orientierung, an welche weiterführenden Stellen sie sich wenden können, oder vermittelt freie Plätze in Frauenhäusern. Meistens meldeten sich die betroffenen Frauen selbst bei BIG, sagte die Beraterin, häufig allerdings taten das auch Lehrer, Ausbilder, Nachbarn oder Verwandte. Aber trotz Öffentlichkeitsarbeit seien die Telefonnummern, Internetadressen und Adressen von Beratungsstellen nicht allen betroffenen Frauen bekannt oder zugänglich.

Seit Montag prangen deshalb die Telefonnummer der BIG-Hotline (0 30-6 11 03 00) und die Internetadresse "www.hinter-deutschen-waenden.de" an Bushaltestellen und Plakatwänden in ganz Berlin. Vier Wochen soll die neue, 130.000 Euro teure Kampagne der Senatsverwaltung für Wirtschaft insgesamt dauern. Zusätzlich wird es einen Kurzfilm geben, der in 38 Kinos sowie im Werbefernsehen der U-Bahnen zu sehen sein wird.

Das Ziel der Kampagne sei es, über Angebote zu informieren und die Betroffenen zu ermutigen, sich Hilfe zu suchen, sagte Wolf. Gleichzeitig wolle sie auch Nachbarn und Freunde ermutigen einzugreifen. Letztlich, so Wolf, soll die Kampagne dazu beitragen, dass sich auch Männer mit dem Thema Gewalt auseinandersetzen.

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