Haftanstalt: Kein Platz für Flüchtlinge

Seit das Abschiebegefängnis in Rendsburg vor acht Jahren eröffnet wurde, fordern Flüchtlingsverbände seine Schließung. Nun will das Land genau das tun. Doch Jubel bricht nicht aus, denn es fehlen Alternativen.

Soll aus Spargründen geschlossen werden: Das Abschiebegefängnis in Rendsburg. : Esther Geißlinger

Schusswunden, ein verletzter Finger: Der 17-jährige Iraker, der über Skandinavien illegal nach Deutschland eingereist war, befand sich in keinem guten Zustand. Dennoch entschied ein Gericht, der junge Mann sei immerhin fast erwachsen und gehöre zurück nach Schweden.

Zwischenstation war das Abschiebegefängnis in Rendsburg, das einzige in Schleswig-Holstein. "Der Eindruck verfestigt sich, dass die Abschiebungshaft in Schleswig-Holstein vor allem dazu dient, der Bürokratie zu fragwürdigen Triumphen zu verhelfen", konstatiert der Landesbeirat für die Abschiebehaft, dem der Flüchtlingsbeauftragte des Landtages, Wulf Jöhnk, angehört und dem es gelang, den Jugendlichen, der allein wegen seines Alters nicht dorthin gehörte, aus der Haft zu holen.

Seit das Gefängnis vor acht Jahren eröffnet wurde, fordern Flüchtlingsverbände seine Schließung. Nun will das Land genau das tun - um Geld zu sparen. Doch Jubel brach nicht aus: "Uns fehlt die Debatte um Alternativen", sagt Andrea Dallek vom Flüchtlingsrat. Es sei unklar, was mit den Menschen passiert, die das Land abschieben will.

Die Abschiebehaft wurde im Januar 2003 eröffnet. Sie befindet sich in einem ehemaligen "Jugendarrest" nahe dem Stadtzentrum.

In 43 Räumen sind bis zu 56 Personen - erwachsene Männer, seit zwei Jahren auch männliche Jugendliche - untergebracht. Frauen landen in Eisenhüttenstadt.

Im Jahr 2009 betrug die Gesamtzahl der Häftlinge 361, im Vorjahr 303.

Im Schnitt bleiben Erwachsene rund einen Monat, Jugendliche knapp 50 Tage in Haft.

25 bis 40 Prozent aller Flüchtlinge gelten als traumatisiert - ähnliche Zahlen vermutet der Landesbeirat auch in der Abschiebehaft.

Nach derzeitigem Stand soll die Haftanstalt bis 2020 geschlossen werden. Damit würde das Land allein für Sanierungskosten ein bis zwei Millionen Euro sparen, teilt das Justizministerium mit.

Genaueres gibt es aber bisher nicht, weder zum Zeitplan noch zu Konzepten: "Wir können derzeit nichts Weiteres sagen", sagt Ministeriumssprecher Wolf Gehrmann. "Zwischenüberlegungen" würden bereits angestellt, und klar ist: "Auf jeden Fall aber wird es keine Unterbringung der Betroffenen in Justizvollzugsanstalten in Schleswig-Holstein geben. Das Abstandsgebot zwischen Abschiebehäftlingen und Straftätern wird strikt eingehalten."

Damit bleibt nur übrig, dass Abschiebehäftlinge in andere Bundesländer gebracht werden - keine optimale Lösung, findet Dallek: "Zentralisierung ist das nicht unser Ziel." Eine Hoffnung von Flüchtlingsorganisationen lautet zwar, dass der Mangel an Plätzen zu weniger Vollzug führt. Aber Fragen bleiben offen: "Was ist mit denen, die die Polizei aus einem Schleuser-Lastwagen zieht?", so Dallek. Diese Menschen, die aus anderen EU-Staaten einreisen, unterstehen nicht den Ausländerbehörden, sondern der Bundespolizei. Die Betroffenen würden "wie bisher in der Abschiebungshafteinrichtung in Rendsburg untergebracht", teilt das Ministerium mit - unsinnig, wenn sie geschlossen werden soll, um Geld zu sparen.

Bleibt am Ende doch das Regel-Gefängnis? "Das würde uns um Jahre zurückwerfen", sagt Dallek. Die Abläufe seien noch strenger als in Abschiebehaft, wo sich die Insassen tagsüber zwischen den Zellen bewegen können. Hinzu kommt, dass sich um die Rendsburger Einrichtung herum ein Kreis aus Helfern gebildet hat: Es gibt einen ehrenamtliche Besuchsdienst, den Landesbeirat, Organisationen wie den Diakonieverein Migration, deren Mitarbeiterin Silke Nissen regelmäßig Gefangene berät: "So etwas ist nicht überall gewährleistet", sagt sie, auch wenn sie grundsätzlich für die Schließung der Haft ist.

Die Flüchtlingsverbände setzten sich für eine bundesweite Lösung ein: Abschiebehaft müsse überall abgeschafft werden. Unterstützung gibt es dafür von der Linken. "Unbescholtene Menschen wie Schwerverbrecher einzusperren, ist eine völlig unverhältnismäßige Praxis", so der Landtagsabgeordnete Ulrich Schippels. Die Fraktion will erreichen, dass Schleswig-Holstein sich im Bundesrat für ein Ende der Abschiebehaft einsetzt - angesichts der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse eher unwahrscheinlich.

Allerdings hat sich der parteilose Justizminister Emil Schmalfuß für einige Lockerungen für Flüchtlinge stark gemacht, die allerdings nicht die Abschiebehäftlinge betreffen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.