Feier zu 20 Jahren deutsche Einheit in Berlin: Deutscher Einheitsbrei

Auf der Straße des 17. Juni wird gefeiert, mit Bratwurst, Pommes und Foccaccia. Der Anlass ist nebensächlich.

Das Brandenburger Tor am 3. Oktober 2010 Bild: dapd

Die Sonne scheint, ein lauer Wind weht. Andrea öffnet ihre Steppjacke, nippt an ihrem Plastikbecher Bier und blinzelt in Richtung Himmel. "Schön", sagt die 40-Jährige aus Steglitz. "Das Wochenende ausklingen lassen, noch mal das Wetter genießen." Sie wartet auf die Blaskapelle, die sich auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor formiert, überlegt derweil laut, ob die Bratwurst am Grill nebenan zum Kauf animiert. Oder doch lieber die Focaccia vom Toskana-Stand? Die Currywurst dahinter? Oder eine Käsebrezel?

Hungern muss kein Besucher beim Einheitsfest. Die Auswahl ist groß - und beliebig. Der Geruch von "holländischen Fischspezialitäten" mischt sich mit dem von gebackenem Schafskäse in Fladenbrot, zum Runterspülen bieten sich Bier, Bowle und Capuccino an. "Für mich war das sowieso zweitrangig, dass hier 20 Jahre Einheit gefeiert werden soll", sagt Andrea. Aber sie habe auch keinen Hinweis darauf gefunden. Die Blaskapelle hat angefangen zu spielen. Märkische Melodien.

Sie treten in Konkurrenz zu den Schlagern, die von der hinteren Bühne eines Berliner Radiosenders dudeln. In der Mitte zwischen beiden Aufbauten, auf Höhe des Gummibärchenselbstbedienungsstands, sind beide Musiken gleich laut. Andi Federschmid aus Bernau steht mit seiner Schwester an einem Bartisch mittendrin. Die Schwester lebt in Leipzig und will Berlin kennen lernen. "Bei uns wird heute auch gefeiert, aber anders", sagt sie. In Leipzig wisse man, auf welchem Fest man sei. Hier erhalte man eben Massenware, fügt ihr Bruder hinzu und schiebt den Pappteller beiseite. "Wie die Currywurst."

Einen "Einheitskaffee", eine "Wiedervereinigungswurst" oder schwarz-rot-goldene Pommes sucht man in der Tat vergeblich. Auch Flaggen sind rar. "Wir sind selber enttäuscht", sagt der Pächter eines Bierausschanks. "Da war nichts vorgegeben, keine Dekoration oder so."

Dabei habe er die Einheits-Feste schon anders erlebt. "Einmal waren Zelte mit Infos zur Einheit in der Mitte aufgebaut, da konnte man von zwei Seiten rein", erinnert sich der Mann. Sein Kollege, der einen Imbissstand betreibt, pflichtet ihm bei. "Dieses Jahr wird doch niemand animiert zum Bleiben, alle laufen nur durch."

Der Veranstalter hingegen sieht das anders. Er sei zufrieden mit der Stimmung, sagt Rainer Wohltat hinter der großen Bühne am Brandenburger Tor. "Wir kriegen keine öffentlichen Subventionen und können uns nicht mit Bremen vergleichen." Bremen richtet in diesem Jahr die offiziellen Feiern aus. Die Anmerkung, dass ein bisschen Dekoration wenig koste, lässt Wohltat unkommentiert. Er verweist auf die Reden, die es am Abend vor dem Reichstag zu hören gebe.

Die Besucher geben sich damit zufrieden. Die Sonne scheint ja, die Preise fallen nicht aus dem Rahmen. Nur eine Gruppe schwedischer Frauen wartet noch auf das Fest zur deutschen Einheit. "Im Hotel hat man uns gesagt, hier werde der 20. Jahrestag gefeiert", erzählt eine ältere Frau aus Stockholm. "Da kommt doch bestimmt noch eine Parade, bei uns gibt es bei solchen Anlässen immer eine Parade." Sie schaut die Einheimische fragend an. "Wissen Sie, wann die Parade kommt?" Es kommt keine.

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