Deutschland gegen Türkei: Den Deutschen fehlt die Leidenschaft

Beim bunten Profinachwuchs von Hertha BSC steht schon vor dem heutigen Spiel Deutschland - Türkei fest, wer schöner spielt.

Es ist das zweite Training in dieser Woche für die Profinachwuchskicker von Hertha BSC, zwei Tage vor dem großen Spiel Deutschland gegen Türkei. Zwei weitere Trainings haben sie noch vor sich. Doch richtig geschafft sieht keiner der 15-Jährigen aus. Leistungssport ist Alltag im Leben des Deutsch-Pakistaners Sami Malik, des Deutsch-Türken Ümit Attar, des Deutsch-Ghanaers Mike Owusu und des Deutsch-Deutschen Marius Gersbeck. Die vier leben den Traum vieler Jungen: Fußballprofi werden. Noch verdienen sie kein Geld mit dem Sport, doch so unrealistisch ist es nicht, dass sie es eines Tages in die Bundesliga schaffen. Die vier haben bereits an Lehrgängen für verschiedene Nationalauswahlen teilgenommen. Fast alle lernen sie an einer Sportschule. Dort trainieren sie zusätzlich dreimal pro Woche. Fußball ist ihr Leben.

"Die sind alle ganz heiß uff dit Spiel", erklärt Hattice Attar, die ihren jüngeren Bruder Ümit abholt. Der zieht im Gegensatz zur Schwester das "Isch" dem "Ick" vor. Dass am heutigen Freitag Mesut Özil auf die beiden Brüder Altintop trifft, wird heiß diskutiert in der Umkleidekabine der jungen Profis. Auf wen hält die bunte Truppe beim EM-Qualifikationsspiel? "Isch bin bei den Türken, 100-prozentig", sagt Torwart Ümit. Abwehrspieler Sami und er wollen das türkische Team beim Public Viewing auf dem Kreuzberger Oranienplatz anfeuern. Er und Sami sind sich sicher, dass die Türkei Deutschland schlagen kann. Das großes Idol der beiden ist Nuri Sahin, der für Dortmund und die türkische Nationalmannschaft spielt.

Was sie von Özil halten, der sich für das deutsche Nationalteam entschieden hat? Der sei kein echtes Vorbild, sagt Sami. "Der wird richtig nervös sein. Bei der Begegnung gibt es keine Freundschaft. Wenn er ein Tor schießt, kann es passieren, dass Gegenstände auf ihn fliegen." Einer der vier murmelt "Verräter". Was sie am deutschen Team denn so stört? Alle vier sind sich einig, dass den Deutschen die Leidenschaft fehlt. "Die Türken kämpfen immer bis zur letzten Minute. Die haben einen starken Willen. Wenn die Deutschen weit hinten liegen, geben sie auf", meint Ümit. Die Deutschen würden immer nur hin und her passen. Bei den "Südländern" würde das viel besser aussehen, findet Sami. Marius, der bis jetzt eher still war, wirft ein: "Dafür ist Deutschland erfolgreicher."

Obwohl Sami zur Türkei hält, würde er lieber für die deutsche Nationalmannschaft spielen. "Dort sind die Bedingungen einfach besser und es gibt mehr Geld." Für Mittelfeldspieler Mike ist das nebensächlich. Er würde lieber für Ghana, das Heimatland seiner Eltern, antreten. Beim Spiel gegen die Türkei hält er zu Deutschland. Aber sein Herz schlägt für Ghana.

Die vier müssen von der Kabine einen kleinen Fußmarsch zurücklegen, vorbei am Olympiastadion, das für das große Spiel abgesperrt ist. Es ist halb neun, Marius und Sami müssen mit der U-Bahn nach Hause fahren. Sami will noch ein bisschen "pumpen", wie er sagt, Hanteln stemmen. Das dritte Training an diesem Tag. Er umgreift sein Handgelenk: "So dünn war mal der ganze Arm." Marius witzelt: "Er nennt sich jetzt manchmal Hulk."

Morgen früh steht der kleine Hulk wieder um sechs Uhr auf. Dann muss er fit sein für die nächsten Trainings. Sonst wird das nichts mit der großen Karriere. Egal für welche Mannschaft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.