1. Bundesliga: Bremisches Gebrülle

Erneut verspielt Werder beim 2:3 gegen Nürnberg einen sicher geglaubten Sieg. Spieler und Verantwortliche verzetteln sich anschließend in interne Schreiduelle.

Brüllte wie nie zuvor: Werder-Trainer Thomas Schaaf. Bild: dpa

Als das Bremer Publikum Mitte der 2. Halbzeit im Bundesliga-Spiel gegen den 1. FC Nürnberg lauthals "Schieber, Schieber"-Rufe anstimmte, galten die Schiedsrichter Christian Dingert und entsprangen mehr dem Frust über die eigene Mannschaft als tatsächlichen Benachteiligungen. Der junge Referee, der zum ersten Mal ein Werder-Spiel pfiff, leistete sich zwar manch unverständliche Entscheidung, aber keine Spiel-entscheidenden Fehler. Berechtiger waren dagegen die "Schieber"-Rufe der Nürnberger Fans, die damit den besten Mann auf dem Platz feierten. Nürnbergs Stürmer Julian Schieber bereitete die ersten beiden Nürnberger Treffer kurz vor und nach der Pause mustergültig vor.

Bis dahin hatte Werder wie der sichere Sieger ausgesehen. Nach der frühen 1:0 Führung durch Hugo Almeida berauschten sich die Bremer allerdings so sehr am eigenen Kombinationsspiel, dass sie vergaßen, ihre Überlegenheit in weitere Treffer umzumünzen. Wie gegen Bayern München im Pokal versiebten sie reihenweise Torchancen und es trat ein, was der angefressene Kapitän Torsten Frings anschließend so ausdrückte: "Da denken wir, die nächste Chance kommt in zwei Minuten, aber irgendwann kommt eben keine mehr."

Als im Gegenzug die effizienten Nürnberger aus zwei Chancen zwei Tore machten, verlor auf Bremer Seite einer nach dem anderen die Nerven. Den Anfang machte der erneut völlig verunsicherte Mikaël Silvestre. Nachdem er bereits Nürnbergs Führungstreffer durch Ekici mit einem krassen Fehlpass eingeleitet hatte, verlor er den Ball in der 56. Minute so dilettantisch am eigenen Strafraum an Schieber, dass nur eine Glanzparade von Torwart Sebastian Mielitz eine noch frühere Entscheidung verhinderte.

Bis zu dieser Aktion hatte das Bremer Publikum über Wochen hinweg wesentlich mehr Nachsicht mit dem ehemaligen französischen Nationalspieler walten lassen als in der Vergangenheit mit den Youngstern Prödl, Boenisch oder gar Abdennour nach vergleichbaren Leistungen. Damit war nun Schluss und Thomas Schaaf blieb nichts anderes übrig, als den Verteidiger auszuwechseln, um ihn vor dem einsetzenden Pfeifkonzert zu schützen. Da sich mit Petri Pasanen die einzige Alternative auf der linken Seite beim Aufwärmen verletzt hatte, musste Werders Trainer auf eine Dreierkette umzustellen. Er wechselte Hunt und Jensen ein und nahm neben Silvestre auch noch Philipp Bargfrede vom Feld.

Anstatt die verbleibende Stunde zu nutzen und den Gegner wieder mit spielerischen Mitteln unter Druck zu setzen, verlor nun die komplette Mannschaft die Beherrschung. Als hätte sie nur noch fünf Minuten Zeit, wurden fast nur noch lange Bälle nach vorne geschlagen. Und auf den Flügeln verzettelten sich Arnautovic und Marin nur noch in Einzelaktionen. So viel Einfallslosigkeit brachte selbst die Gemütslage von Thomas Schaaf völlig aus dem Gleichgewicht. Er brüllte sich mit Marko Marin an der Seitenlinie so vehement an, wie man es von dem besonnenen Coach in der Öffentlichkeit noch nie erlebt hat. "Er hat sich mit dem Linienrichter gestritten. Ich habe ihm gesagt, dass er sich auf das Wesentliche konzentrieren soll", begründete Schaaf seine Reaktion.

Die Luft auf Werders Bank wurde noch dicker, als Arnautoviac nach dem 1:3 für "Brechstange" Sandro Wagner das Feld räumen musste und seine Schuhe wutentbrannt in die Ecke warf. "Als Klaus Aloffs ihn zur Rede stellen wollte, kam es zum Eklat", beschreibt die österreichische Presse den Vorgang: ",Arnie' zuckte aus und lieferte sich ein wildes Schreiduell mit seinem Chef." Wobei zucken im Österreichischen einen wesentlich aktiveren Vorgang beschreibt als im Deutschen.

Diese ungewohnten Implosionen in der Werder-Mannschaft geben vor dem wegweisenden Champions League-Heimspiel gegen Twente Enschede am Dienstag mehr Anlass zur Sorge als der Tabellenplatz in der Bundesliga.

Bisher war es immer die große Stärke der Bremen, in brenzligen Situationen cool zu bleiben und zurückzuschlagen.

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