Asyl: "GAL hat nichts unternommen"

Tragen Hamburgs Grüne eine flüchtlingsfeindliche Senatspolitik mit? Ein Disput zwischen Franz Forsmann vom Flüchtlingsrat und GAL-Vizefraktionschefin Antje Möller.

Große Uneinigkeit: Antje Möller (GAL) und Franz Forsmann (Flüchtlingsrat). Bild: Ulrike Schmidt

taz: Herr Forsmann, der Flüchtlingsrat kritisiert Hamburgs Regierung und vor allem die GAL harsch wegen der Unterbringung von Hamburger Flüchtlingen in dem Lager Horst an der Grenze von Schleswig-Holstein zu Mecklenburg-Vorpommern. Warum?

Franz Forsmann: Wir kritisieren diese Auslagerung von Flüchtlingen. Die Unterkunft liegt total isoliert, die Menschen, die hier leben müssen, werden bewusst aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Es gibt dort keine ausreichende Gesundheitsversorgung und keine ausreichende Flüchtlingsberatung. Letzteres führt dazu, dass viele Flüchtlinge in den ersten Monaten ihres Asylverfahrens nicht die nötigen juristischen Schritte eingelegen und dann rechtlich keine Chance mehr haben. Das ist die faktische Verwehrung eines rechtsstaatlichen Asylverfahrens.

Genau deshalb will Hamburg schnell raus aus Horst.

53, stellvertretende Vorsitzende der GAL-Fraktion und Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Sie sitzt im Kuratorium des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg. ------

54, hauptberuflich Physiker und Mitglied des Hamburger Flüchtlingsrats, fordert, dass in Nosdorf / Horst keine Flüchtlinge mehr untergebracht werden.

Forsmann: Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag wurde ein Ausstieg aus Horst für 2012 ins Auge gefasst und festgeschrieben, bis dahin möglichst wenig Flüchtlinge und keine Familien mehr dort unterzubringen. Doch in den vergangenen Monaten ist genau das Gegenteil passiert.

Antje Möller: Ich teile die Kritik an Nosdorf / Horst. Dies ist nicht der richtige Aufenthaltsort für Familien, die Unterbringung dort führt zur Isolation und Kinder können nicht zur Schule gehen. Der schwarz-grüne Koalitionsvertrag sagt klar, dass Hamburg aus dieser Lösung aussteigt. Es gibt aber einen langfristigen Vertrag mit Mecklenburg-Vorpommern, der vor 2011 nicht zu kündigen ist. Die Stadt muss bis 2012 ein Kontingent von 30 Flüchtlingen bezahlen. Das hat bislang ausgereicht. Erst seit dem Sommer bringt Hamburg mehr Flüchtlinge in Nosdorf unter - auch Familien mit Kindern sind betroffen. Das liegt schlicht daran, dass mehr Flüchtlinge als früher nach Hamburg kommen und dass es nicht ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten gibt. Das ist eine äußerst unbefriedigende Situation, die wir schnellstmöglichst ändern wollen, indem Hamburg genügend Plätze in der Folgeunterbringung für Flüchtlinge schafft.

Da aber ist in zweieinhalb Koalitionsjahren gar nichts passiert, obwohl die Flüchtlingszahlen bundesweit seit 2008 wieder ansteigen.

Möller: Heute würde ich sagen: Hamburg hätte früher erkennen müssen, dass der Anstieg der Flüchtlingszahlen zu Engpässen bei der Unterbringung führt. So aber hat sich erst vor einigen Wochen akut gezeigt, dass der Abbau von Plätzen insgesamt viel zu weit getrieben wurde. Seit Mai kommen mehr Flüchtlinge aus Hamburg nach Nosdorf. Sie bleiben dort aber wesentlich kürzer als vorher: im Schnitt noch zweieinhalb Wochen…

Forsmann: …wobei es bezeichnend für die Politik des Senats ist, welche Unterkünfte geschlossen worden sind. 2008 wurden zehn Unterkünfte mit 588 Plätzen dicht gemacht, darunter viele Unterkünfte für zehn bis 30 Personen. Geblieben sind die großen Lager, die jeder Integration entgegenstehen. Nun soll eine neue Unterkunft in der ehemaligen Pflegeeinrichtung Alsterberg an der Sengelmannstraße entstehen, die eine relativ abgeschottete Großeinrichtung ist.

Möller: Der Alsterberg liegt doch in einem Wohnquartier. Und 260 Plätze sind vielleicht nicht die ideale Größe, aber eine tragbare.

Forsmann: Fakt bleibt, dass Hamburg mit der Schließung kleiner, dezentraler Unterkünfte eine flüchtlingsfeindliche Politik macht und die GAL nichts dagegen unternommen hat…

Möller: Der Eindruck ist falsch. Das lasse ich mir nicht vorwerfen. Die GAL hat in der Koalition massiv in das eingegriffen, was zuvor acht Jahre lang Flüchtlingspolitik in dieser Stadt war. Wir haben viel weniger Abschiebungen als früher…

Forsmann: …weil nach der riesigen Abschiebewelle zwischen 2002 und 2006 mit 11.000 Abschiebungen vor allem die Flüchtlinge noch hier sind, die nur mit einem immens hohen Verwaltungsaufwand abzuschieben sind. Das können sie in der Jahresbilanz 2008 des Einwohnerzentralamtes sogar nachlesen. Und da immer weniger Flüchtlinge gekommen sind, können natürlich nicht mehr so viele abgeschoben werden. Das ist doch kein Erfolg der GAL…

Möller: Das ist nur die halbe Wahrheit: Es können heute viel mehr Familien hier bleiben als früher. Wir haben in Hamburg einen Abschiebestopp in mehr Länder verabschiedet, als alle anderen Bundesländer…

Forsmann: …die meisten dieser Regelungen gelten bundesweit.

Möller: Auch das ist falsch. Hamburg schiebt in Länder wie Syrien, Afghanistan oder Iran nicht ab, andere Bundesländer tun dies sehr wohl. Im übrigen haben wir auch die umstrittenen Delegationsanhörungen abgeschafft. Hamburg führt außerdem keine Sammelabschiebungen mehr durch. Auch wenn ich flüchtlingspolitisch ganz andere Vorstellungen habe, haben wir ganz realpolitisch die Situation für viele Flüchtlinge verbessert.

Forsmann: Das stimmt so nicht. Auch die anderen Bundesländer schieben unter anderem keine Familien nach Afghanistan ab.

Zurück zu den Unterkünften für Flüchtlinge. Was kann, was muss geschehen?

Möller: Wir brauchen ein neues Konzept für die öffentliche Unterbringung. Daran habe ich konkrete Forderungen: kleinere, dezentrale Einrichtungen, gemischt mit abgeschlossenen Wohnungen, eingebettet in städtische Quartiere. Da muss der Bus vor der Tür halten, Läden müssen in einer überschaubaren Entfernung liegen, außerdem brauchen wir dort eine vernünftige soziale Betreuung und eine rechtliche Beratung. Aber die aufgeregte Diskussion um den Alsterberg zeigt, wie schwer es wird, genügend Plätze in dezentralen Einrichtungen in der Stadt zu schaffen.

Forsmann: Das ist genau der falsche Weg. Es geht nicht darum Gemeinschaftsunterkünfte besser zu gestalten, sondern sie abzuschaffen. Spätestens nach drei Monaten müssen Flüchtlinge in ganz normalen Wohnungen untergebracht werden, wo sie gemeinsam mit deutschen und ausländischen Nachbarn leben. Sonst schafft man neue Ghettos und Schulen, die nur von Flüchtlingskindern besucht werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.