die wahrheit: Verkehr ist verkehrt!

Neues von den Skurrilen: Inselgruppe voller Widersprüchlichkeiten.

Der deutschstämmige Verkehrsminister der Skurilen, Uwe Bangatagowo, kontrolliert den Küstenverlauf. : reuters

Wieder einmal sorgt die pazifische, ja geradezu pazifistische Inselgruppe der Widersprüche für Aufregung. War es in den vergangenen Jahren vor allem die extrem tolerante Außenpolitik der Skurilen-Regierung, die internationale Aggressoren regelrecht in die Verzweiflung trieb, weil keine noch so demütigende Provokation den erwünschten Erfolg brachte, kein Eindringen in die nationalen Hoheitsgewässer den erwarteten militärischen Gegenschlag auslöste, kein Leerfischen der reichen Fanggründe vor den wildzerklüfteten Klippen auch nur von verbalen Protesten begleitet wurde, so treibt neuerdings die radikal entspannte Politik des Verkehrsministers Uwe Bangatagowo die Lobbyisten der internationalen Energiekonzerne auf die sprichwörtliche Palme, die auf den Skurilen allerdings sowieso nicht gedeiht.

Bangatagowos revolutionäres Konzept für den Inselverkehr sieht vor, dass dieser demnächst abgeschafft wird. "Verkehr ist verkehrt!", verkündete der Skurile mit deutschem Migrationshintergrund auf der ersten und letzten Pressekonferenz des Jahres mit der Inbrunst eines Wanderpredigers. Und er hat noch mehr Knaller-Slogans auf Lager, die demnächst am Rande des einzigen, 1,5 Kilometer langen, Autobahnteilstücks der Hauptinsel plakatiert werden sollen - etwa das zündende "Wer hier fährt, der fährt verkehrt!" Kein Wunder also, dass Tankstellenpächter reihenweise ihren Zapfsäulen den Rücken kehren und nun vom Arbeitsamt im Rahmen einer großangelegten Umschulungsoffensive zu Bäckereifachverkäufern "aufgebrezelt" werden sollen.

Auch in Sachen Ernährungserziehung geht die Regierung der Skurilen neue Wege - was in Anbetracht der großen Anzahl stark fettleibiger Inselbewohner allerdings auch ein Gebot der Stunde ist. Mit ihrer "Ein-Topf-Politik" konnten schöne Erfolge im Kampf gegen das Übergewicht erzielt werden. Jedem Inselhaushalt ist seit März 2010 als Kochzubehör nur noch ein Topf gestattet - Pfannen, Kuchenbleche, Fritteusen und sonstige Schmor-, Back- oder Bratutensilien sind bei Todesstrafe verboten und wurden sofort nach Einführung des Gesetzes von der staatlichen Topfschwadron eingesammelt und der Schrottpresse überantwortet. Dass trotz dieser zunächst rigide erscheinenden Maßnahmen die überbordende gastronomische Fantasie der Insulaner nicht abgewürgt werden konnte, spricht für den kreativen Reichtum dieses lebenslustigen Völkchens.

Der Eindruck sich keiner Konvention beugenden Lebensphilosophie verfestigt sich beim mitteleuropäischen Besucher vollends, wenn er eine der beliebten Sportveranstaltungen besucht. Aufgrund ihrer geografischen Lage bieten die Skurilen hervorragende Wintersportbedingungen, vergleichbar nur mit den höchsten Regionen der Alpen oder der Niederen Tatra. Kein Wunder also, dass Otto Normalskurile ein begeisterter Wintersportler ist, den man als bloßen Zuschauer kaum hinter dem Torfofen hervorlocken kann. Ein bisschen Action soll es auch bei sportlichen Großveranstaltungen schon sein.

Besonders hoch in der Gunst steht dabei das Zuschauer-Biathlon, bei dem die am Pistenrand stehenden Zuschauer mit Paintball-Pistolen auf die vorbeirasenden Abfahrtsläufer schießen. Eine Kombinations-Sportart, die auf beiden Seiten Gewinner kennt: der Abfahrtsläufer mit den wenigsten Farbtreffern gewinnt, bei Treffergleichheit zweier Fahrer gibt die gefahrene Zeit den Ausschlag. Und die Zuschauer küren ihren Schützenkönig nach einem komplizierten Bewertungsschema der erzielten Farbkleckse, wobei ein Treffer auf die Skibrille des Abfahrers als praktisch nicht zu toppender Big Point gilt.

Doch wer nun glaubt, das Inselvölkchen sei nur für derlei grobe Späße zu haben, irrt gewaltig. Im Innersten seines Seelenkostüms ist der Skurile ein Anhänger der eher stillen Freuden. Handarbeiten aller Art gelten hierzulande als Trendsportart, Lesen als beliebteste Freizeitbeschäftigung. Öffentliche Bibliotheken überziehen das Land mit einem dichten Netz an Nachschubbasen, die keinen noch so ausgefallenen Lesewunsch unerfüllt lassen.

Der Berichterstatter konnte sich in der größten Bibliothek des Landes, der "Leihbücherei Goetheborg", von der ungezügelten Leselust der Inselbewohner überzeugen. Auffallend ist dabei, dass nicht nur das schwergewichtige Nationalepos "Romadur" Scharen von Lesewütigen in die mit bequemen Polstermöbeln ausgestatteten Lesehallen lockt, nein, auch eher unscheinbar daherkommende Reiseratgeber wie "Mit 16 PS durch Moldawien" aus dem Jahre 1954 finden dort durchaus ihre begeisterungsfähigen Leser. Der Skurile lässt eben nichts verkommen!

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kari

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