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Kompromiss-Idee für Hartz IV-ReformHartz IV in Stufen

Der Streit um die Hartz IV-Reform geht in die nächste Runde. Jetzt diskutieren Koalition und Opposition über eine zweistufige Erhöhung des Regelsatzes.

Erst fünf Euro, dann nochmal drei drauf. Ist das ein guter Kompromiss? Bild: dpa

BERLIN/MÜNCHEN dpa | Im Streit um die Reform von Hartz IV diskutiert die Regierungskoalition nach einem Bericht der Bild (Onlineausgabe) unter anderem über eine zweistufige Anhebung des Regelsatzes in diesem Jahr. So könnte der Satz zunächst wie geplant um fünf Euro angehoben werden und in einem späteren zweiten Schritt um beispielsweise bis zu drei Euro. "Das ist ein durchaus denkbarer Weg", hieß es.

Wie die Bild weiter schreibt, erörtern die beiden Bundestagsfraktionen auch die Einführung von Sonderbedarfsregelungen. Dadurch würde Hartz-IV-Empfängern ermöglicht, beispielsweise Zuschüsse zum Kauf von großen Haushaltsgeräten oder Nahverkehrsfahrscheinen zu beantragen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) warnte Union und FDP davor, mit neuem Streit über die Hartz-Reform das Ansehen der Politik aufs Spiel zu setzen. Er habe noch Hoffnung, dass man alsbald eine Lösung finde, sagte Böhmer der Süddeutschen Zeitung (Freitag) mit Blick auf den Widerstand der Unionsfraktion und der FDP gegen die Kompromiss-Ideen dreier Ministerpräsidenten. Ansonsten glaubten die Menschen, die Politiker kümmerten sich nicht um echte Probleme, sondern stritten lieber wie die Kesselflicker, erklärte Böhmer. "Wenn es noch einmal schief geht, schadet das der Gesamtheit der Politik und wir hätten uns alle blamiert."

Zusammen mit den Ministerpräsidenten von Bayern und Rheinland-Pfalz, Horst Seehofer (CSU) und Kurt Beck (SPD), hatte Böhmer vorgeschlagen, den Hartz-IV-Regelsatz um acht statt der bislang geplanten fünf Euro steigen zu lassen und gemäß einer SPD-Forderung im geplanten Bildungspaket für arme Kinder auch weitere Sozialarbeiter an Schulen einzustellen.

Böhmer sagte, er halte einen höheren Regelsatz für vertretbar, für nicht willkürlich und gerichtsfest. Die Rechen-Methode des Bundesarbeitsministeriums werde nicht angetastet, berücksichtigt werde nur die Preisentwicklung im ersten Halbjahr 2010.

Außerdem wies Böhmer die Kritik aus den Reihen der Abgeordneten von CDU, CSU und FDP sowie der schwarz-gelben Bundesregierung zurück, die Ministerpräsidenten hätten eigenmächtig gehandelt. Man habe versucht, ein Scheitern der Verhandlungen zu verhindern. „Uns war klar, dass wir keine Abmachungen treffen konnten.“

Unterdessen halten die Koalitionsspitzen von Union und FDP weiter an der bisher geplanten Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes um fünf auf 364 Euro fest. Dies verlautete aus CSU-Kreisen in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und FDP-Chef Guido Westerwelle hatten sich zuvor klar so positioniert. In der CSU-Landesgruppe gibt es inzwischen großen Unmut über den Kompromiss-Vorstoß von Horst Seehofer. Am Sonntag soll weiterverhandelt werden.

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9 Kommentare

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  • HD
    Horst Dahlem

    Es gibt Momente da glaube ich nicht richtig zu hören.

    Ein Teil der Begründung für das Scheitern der Harz IV Diskussion sind die Kosten für die Allgemeinheit-also für den Steuerzahler.Beleuchten wir doch mal die Situation des Steuerzahlers vor dem Hintergrund der Mehrwertsteuersatzermäßigung für Hotelbesitzer oder betrachten wir doch mal den jüngsten"Atomkonsenz"hinsichtlich der Kosten für Endlagerung,Wartung und Erschließung weiterer"Zwischenlager"sowie den Transport abgebrannter Brennstäbe und deren Sicherung durch die Polizei.Besonders spannend wird der Blickwinkel hinsichtlich der"Rettungsaktionen"für angeschlagene Banken während der"Bankenkrise"und der folgenden Rezession;losgetreten von raffgierigen unfähigen dissozialen Subjekten die in keiner Weise an der Regulierung der Schäden beteiligt wurden.Im Gegenteil besonders dreiste Vorständler klagen ihre"Renten"und Abfindungen mit Erfolg ein.Wo waren da die verantwortungsbewußten Politiker die sich schützend vor den Steuerzahler gestellt hätten um ausufernden Staatsverschuldungen-die ausschließlich vom Steuerzahler berappt werden-zu verhindern, bzw.die Verantwortlichen zur Kasse gebeten hätten?

    Ob es nun die"Schlaftabletten"bei der BAFIN,Vorständler bei Banken und Fondgesellschaften oder wirtschaftshörige Politiker sind,eine Verhaltensmaxime ist allen-aus meiner Sicht-gemeinsam:

    Kosten werden sozialisiert und Gewinne privatisiert.

    Steht dann aber eine Diskussion um die Erhöhung des Harz IV Satzes um ein paar Euro an dann streiten sich die Parteien wie die"Kesselflicker".Daß es bei der Suche nach einem gesellschaftlichen Konsenz-egal zu welschen Fragen-immer Verlierer gibt ist offensichtlich und liegt zum Teil in der Natur der Sache begründet.Die Verlierer sind in der Regel auch die Bevölkerungsgruppen die sich am schlechtesten organisieren können und somit über keine Lobby verfügen.Als besonders schlimm erachte ich aber den Umstand daß solche Nachrichten augenscheinlich genauso konsumiert werden wie"DSDS"Sendungen oder diverse"Dschungelgeschichten",die an Dekadenz kaum mehr zu überbieten sind.Niemand wehrt sich gegen derart schreiende Ungerechtigkeiten.Vieleicht werde ich ja doch noch eines Besseren belehrt,immerhin schreiten wir dieses Jahr sieben(7)mal zur Wahlurne.

    Bekommt wirklich jedes Volk die Regierung die es verdient?

  • F
    FAXENDICKE

    Quelle proll.wordpress.com

     

    Recht so, wir müssen alle sparen. Schließlich müssen auch die 1.3 Mrd. für die neuen Jets unserer geliebten Regierung finanziert werden. Jets, von denen der Ausrüster Bombardier, die auch Flieger für Ölscheichs und andere Durchgeknallte ausrüsten sagt, es wäre das luxuriöseste, was sie jemals gebaut haben. Und wir wollen doch alle nicht, das sich Guido den Arsch auf harten Sitzen wundscheuert, Guttis Haarpracht den Glanz verliert oder Merkel von schlecht temperierter Luft Falten kriegt.

     

    http://www.bloomberg.com/news/2011-01-20/merkel-gets-vip-fleet-as-budget-cutting-claims-greek-irish-jets.html

  • TS
    Thomas Shamrock

    Das eine Farce nicht nur die Füllung eines Fleisch- oder Fischgerichtes in den Genusstempeln der spätrömisch dekadenten freien demokratischen Partei ist sondern auch für eine gut inszenierte Posse steht kann in den letzten Wochen jeder der seinen Blick nach Berlin in die Verhandlungsräume zur Hartz IV- Reform wirft mit uneingeschränkter Bewunderung erkennen.

    Es geht dabei nicht um die Umsetzung des Urteils vom Bundesverfassungsgericht.

    Nicht um eine Aufschlüsselung was der Mensch für ein menschenwürdiges, freies und selbstbestimmtes Leben in dem er sich auch verwirklichen kann braucht.

    Nicht um die reellen Kosten und Preise des freien Marktes.

    Eher geht es um die Beibehaltung der bisherigen Rechnung für den Regelsatz mit ihren Märchenpreisen aus tausend und einer Nacht.

    So weltfremd und verblendet geben sich die Verwalter der Gesellschaft, die Politiker, das ein geschachere um eine Erhöhung des Hartz IV-Satzes um 5 oder 8 Euro dem Wähler am Ende noch das Gefühl geben soll das hier etwas großartiges zustande gekommen ist, das die Parteien sich hier für die ärmsten Menschen der Gesellschaft eingesetzt haben, ein Konsens der vorgaukeln soll das dem Verfassungsgerichtsurteil genüge getan wurde.

     

    Dagegen spricht die Realität.

    Strompreiserhöhung, alleine bei 2700 kWh pro Jahr und einem nicht kriminellen bzw. insolventen Stromanbieter bedeutet dies, in meinem Fall, 15 Euro mehr im Monat.

    Das mit 19 Prozent Mehrwertsteuer und der Stromsteuer dem Staat 5 Euro davon gehören ist sicherlich ein Zufall.

    Der kalte Winter und der teure Gas- bzw. Ölpreis, die Lebensmittelkosten die durch weniger Inhalt zum Teil stabil gehalten werden.

    Egal was man nimmt, egal wo man hinsieht, das neue Jahr kostet jedem sicherlich 20 Euro, oder noch mehr, an Unterhalt im Monat.

     

    Wenn Ministerpräsident Böhmer, von der CDU, dann seine Hände und das Wort erhebt und wie ein unabhängiger Schlichter so heuchlerisch die involvierten Parteien beschwört, obwohl intern diese zweistufige Erhöhung längst beschlossene Sache ist, dann spielen meine Nerven in der Magengegend Tango und mir wird klar: Das schadet der Gesamtheit der Politik!

     

    Über eine Einführung von Sonderbedarfsregelungen kann sicherlich nichts geschrieben werden bevor diese Worthülse nicht mit konkreten Richtlinien gefüllt worden ist und da sind wir wieder bei der Farce!

  • BN
    Bruno ( Nicht-Problem-Bär )

    Ich denke das es in den nächsten Jahren immer mehr darauf hinauslaufen wird, dass sich Soziale Randgruppen, langsam aber sicher, auf Regelsatzerhöhung in Form von Sachleistungen einstellen müssen.

     

    Mich würde es nicht wundern wenn es eines Tages keine Miete mehr für Wohnraum gibt, sondern statt dessen, einen Wohncontainer zugewiesen bekommt.

     

    Dazu gibt es dann noch Lebensmittelmarken, und einmal im Monat kommt auch der Onkel Doktor vorbei, und stellt die Medizinische Versorgung, zumindestens für einen Tag, in den Wohncontainer Siedlungen sicher.

     

    Und ein Batterie von Chemie Klosett's, geben dem ganzen, noch einen passenden Beigeschmack.

     

    :) Und danach werden Brot und Spiele eingeführt. ;)

  • F
    FAXENDICKE

    Warum machen die nicht endlich was sie insgeheim alle wollen, Direktüberweisung an die Vermieter (an den Miethaien kommen diese Waschlappen nämlich nicht vorbei) sonst würde man mit Contaienerdörfern (gestiftet von der deutschen Bank) vorlieb nehmen. Bedürftige bekommen einen Lebensmittelgutschein Gegenwert 2,55 EURO pro Tag mit der Aufschrift keine Tabakwaren, kein Alkohol. Kleidung gibt es in der Kleiderkammer und vom Winterhilfswerk welches mit Blick auf Afghanistan wieder zu gründen ist.

    Mit sechzig gibt es einen Gratis-Urlaub in die Niederlande zum "sozialverträglichen Ableben".

  • S
    Stefan

    "Wenn es noch einmal schief geht, schadet das der Gesamtheit der Politik und wir hätten uns alle blamiert."

     

    Ach Gottchen: zu spät, viel zu spät...

     

    "Die Rechen-Methode des Bundesarbeitsministeriums werde nicht angetastet, berücksichtigt werde nur die Preisentwicklung im ersten Halbjahr 2010."

     

    Ja, soweit kommts noch: da werden die läppischen weiteren drei Euro nicht nur von der einen Seite genutzt, sich in die Brist zu werfen und sich mit einen "Erfolg" zu brüsten (SPD), sondern auch noch von der anderen Seite dazu benutzt, den Regelsatz noch weiter zu drücken: eine Erhöhung, ud zwar an der Inflation ausgerichtet, ist eh fällig Mitte des Jahres: und die ist höher als diese 3 Euro.

     

    Gehts noch?

     

    vg, stefan

  • O
    Oli

    Wenn es zwei Erhöhungen, am Ende in der Summe 8 EURO, gibt, dann wäre das unter der Preisteigerung. 1 Prozent sind für einen Sinlge-Hartz-Beziher 3,59 EURO - und das wäre dann 1,1 Prozent. Bei der jetzigen Preissteigerung würde das bedeuten, dass die Arbeitslosen weniger Geld als bisher haben. Vor allem die Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln sind höher und betreffen die Bezieher von ALG II stärker.

    Ich denke mal, dass so eine Regelung gegen das Karlsruher Urteil verstoßen könnte.

  • S
    swilly

    "Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) warnte Union und FDP davor, mit neuem Streit über die Hartz-Reform das Ansehen der Politik aufs Spiel zu setzen."

     

    Welches Ansehen der Politik meint er denn?

     

    Diese Schmierenkomödie ist einfach nur noch PEINLICH!

  • J
    JaneO.

    "Die Rechen-Methode des Bundesarbeitsministeriums werde nicht angetastet, berücksichtigt werde nur die Preisentwicklung im ersten Halbjahr 2010."

     

    Anders ausgedruckt:" Wir ignorieren weiterhin das BVG"

     

    Welche unglaubliche Ignoranz!!