die wahrheit: Neues aus Neuseeland

Echte Tote statt Weltkriegsparty: Gestern Morgen dachte ich zuerst, es war vielleicht alles nur ein böser Traum. Ich lag im Campingbus, in dem wir geschlafen hatten...

... denn in unserem Haus war es zu unheimlich. Neben dem Bus sind tiefe Risse in der Erde, daneben liegen Mauerbrocken. Ich hatte nur zwei Stunden geschlafen, denn immer wieder ruckte es heftig durch den Wagen: ein Nachbeben. Und noch eins. Nach dem schweren Erdbeben vom Dienstag liegt Christchurch in Trümmern, mit Toten und Verletzten, ohne Wasser und Strom. Wie ein Kriegsgebiet.

Meine persönliche Katastrophe, das ist Lyttelton: Dort war das Epizentrum dieses brutalen Rülpsers an Urgewalt, den Mutter Erde von sich gab. Lyttelton ist der malerische Hafenvorort von Christchurch, voller alter Backsteingebäude und mit einer höheren Pro-Kopf-Dichte an Kneipen als St. Pauli. Hier laufen russische Seeleute mit Wodka in der Plastiktüte durch die Straßen, irgendwo spielt immer Musik. Die Szene trifft sich in den Cafés, jeder kennt jeden, viele kommen wie ich aus dem Ausland. Für mich ist es das schönste Dorf der Welt.

Ich habe Lyttelton ein Denkmal gesetzt. Ausgerechnet heute, da dieser Ort verwüstet ist wie eine Geisterstadt, erscheint mein Buch "Was scheren mich die Schafe". Es ist eine Realsatire über die absurden Auswüchse eines Immigrantenlebens. Aber die reale Ironie der Natur schlägt gerade alles, was ich in meinem Mockumentary erfunden und erfahren habe.

Dabei war es schon vor dem Beben absurd genug, was sich parallel zum Erscheinungstermin meines Buchs anbahnte. Meine Verwandlung vom Kraut zur Kiwi handelt unter anderem davon, dass man sich in Neuseeland ständig verkleiden muss. Nur bei Taufen und Beerdigungen herrscht kein Kostümzwang. Eine wunderbare Hochzeit erlebte ich im Woodstock-Look. Ein Ärzteball sollte unter dem Motto "Luftkrieg um England" stattfinden. Die Gastgeber dachten an schmucke Uniformen und militärisches Tamtam. Das stellte die einzigen Deutschen des Abends vor schwere Überlegungen: sich mit Verband einwickeln und ein Bein zum Stumpf abknicken? Oder besser gleich im gestreiften Pyjama gehen, als lebendes KZ-Mahnmal?

Am Ende wurde es dann eine Kiwiana-Party und mein Mann ging als Plumpsklo. Damit gewann er sogar einen Preis. Zwischendurch war allerdings noch "Erster Weltkrieg" als Motto im Gespräch, aber das wurde dann aus Rücksicht verworfen - "schließlich habt ihr den ja auch verloren".

Bis dann vorgestern das Leben die Komödie imitierte. Für heute Abend waren wir in Christchurch auf das Gala-Dinner eines Kongresses eingeladen. Da muss man als gute Gattin durch. Die Veranstaltung sollte im Air-Force-Museum steigen, mit Flugzeugen aus den Weltkriegen als Kulisse. Die Kollegen meines Mannes wollten in alten britischen Uniformen erscheinen, mit Koppel, Käppi und gewichsten Stiefeln. Also doch noch "Luftkrieg um England". Es wäre eine bombige Stimmung geworden. Wurde aber alles nichts. Jetzt haben wir echte Kriegsstimmung, nur nichts zu feiern.

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kari

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