Kolumne Habseligkeiten: Keine Tränchen für Kuschel-Knut

Der tote Eisbär ist lange nicht so tragisch wie einst die tote Lady Di. Ob mehr Merchandise-Nippes geholfen hätte?

Ein eigenartiges Desinteresse hat uns eingeholt. Wahrscheinlich liegt es an diesen Katastrophen, an den Trümmern und Bomben, aber der plötzliche Tod von Eisbär Knut hat unsere Kinder seltsam kalt gelassen. Wie ich hörte, trieb das Tier am Samstag leblos im Wasser seines Geheges. Mir stellten sich beim bloßen Gedanken an diesen riesigen, weißen Kadaver die Nackenhaare auf. Die Tochter, immerhin fast im gleichen Alter wie Knut, reagierte kaum.

Er sei tot, teilten wir ihr am Sonntag mit. Vorsichtig. Wir waren darauf eingerichtet, den halben Tag mit einem heulenden Kind zu verbringen. Mussten wir aber nicht. Stattdessen wurde uns kurz und knapp aufgelistet, welche dem Mädchen jemals bekannte Hunde schon von uns gegangen waren. "Becky und der ganz alte in Italien. Der weiße wuschelige Hund, der unten wohnte und auch der von Paula. Alle sind tot. Nur Lise lebt noch," befand das Kind und meinte damit das Tier im Friseurgeschäft gleich um die Ecke, dem ich an dieser Stelle alles Gute wünschen möchte.

Vielleicht, sagte ich zu meinem Mann, haben wir die Leidenschaft unserer Kinder für unser Stadt-Maskottchen nie geweckt. Sie im Zoo nur zu den Ziegen geschleppt, statt zum Eisbärenfelsen. Warum haben wir ihnen keinen Kuschelknut gekauft? Oder arktische Gutenachtgeschichten vorgelesen? Verlangten die Kinder nicht nach dieser Merchandise-Ware?

Bisher nahm ich an, würden alle Kleinen dieser Welt zusammenbrechen, sollte dem ehemals putzigen Bärchen etwas passieren. Ein wenig so, wie alle Frauen in meinem Alter wegen des Todes von Lady Di hysterisch wurden. Ja, ich glaubte fest, dass Knut die Lady Di all derer sei, die gerade noch etwas zu alt fürs Elterngeld waren. Als Diana in Paris umkam, habe ich aus lauter Erinnerung an die große Zuneigung, die ich als Kind für sie empfand, ein Tränchen verdrückt.

Das ist mir natürlich peinlich zuzugeben, aber es stimmt. Ich hatte als Mädchen eine Diana-und-Charles-Tasse, (fast) die gleiche weiße Bluse mit der großen Schleife, in der sie ihre Verlobung verkündete und hin und wieder stoße ich auf ein kleines Büchlein in meinem Regal, das die besten Bilder ihrer Hochzeit zeigt, einen Ausschnitt vom Gabentisch und eine furchtbar niedliche Schwarzweissfotografie der Prinzessin mit ihrem Meerschweinchen "Peanuts". Letzteres wird längst aus dem Leben geschieden sein, Diana-Devotionalien verkaufen sich noch immer.

Man wird älter und weiser, möglicherweise liegt es, wie gesagt, an den ganzen Katastrophen, aber die Nachrichtensender der Welt können so viele Reporter nach London schicken, wie sie wollen - die nächste königliche Hochzeit wird uns nicht halb so sehr ergreifen wie die von 1981 oder gar die Beerdigung von 1997.

Um das Feuer ein wenig zu schüren, sollte ich rasch Kate- und Prinz-William-Pappmasken bestellen und ein Buch, aus dem man Puppen der Brautleute heraustrennt und anzieht. Mache ich aber nicht. Stattdessen suche ich jetzt nach dem hübschesten "Atomkraft? Nein danke!"-Nippes, den ich finden kann. Eine recht schwierige Aufgabe. Noch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.