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Call a BikeLängere Wege zum Leihrad

Die Bahn stellt ihren Fahrradverleih um. Die Räder gibt es nur noch an 30 festen Stationen und dürfen nicht mehr überall stehen gelassen werden. Grüne fordern Zuschuss für das offenbar defizitäre Unternehmen.

So sieht's die Bahn jetzt gern: Leihräder kollektiv abgestellt. Bild: ap

Günstig, flexibel, spontan - so hat die Deutsche Bahn (DB) bisher Millionen Menschen aufs Leihrad gelockt. Damit ist zumindest in Berlin Schluss: Zum April stellt das Unternehmen sein Modell um. Aus "Call a bike" wird eher ein "Get a bike": Künftig werden die 1.650 Leihräder in Berlin nur noch an 30 Stationen in der Innenstadt angeboten. Dort können sie abgeholt, dorthin müssen sie wieder zurückgebracht werden. Bisher können Fahrwillige per App aufs iPhone oder Telefonanruf das nächstgelegene Rad mit den markanten Gepäckträgern orten und es an der nächsten Straßenkreuzung nahe dem Zielort abstellen.

"Das hat zu einer Privatisierung der öffentlichen Räder geführt", sagte der zuständige DB-Manager Rolf Lübke der taz. Er ist Geschäftsführer der DB-Tochter FuhrparkService. Offenbar ist der Bahn ihr kundenfreundliches System zu anstrengend geworden. "Katastrophal" sei die Suche nach Rädern für das Unternehmen bisweilen, bekannte Lübke. Viele Nutzer stellten sie in Hinterhöfen ab oder reservierten sie tagelang für sich, versteckten sie regelrecht.

Mit der Umstellung will die Bahn wohl auch mehr am Leihrad verdienen. Denn das System ist ähnlich wie der öffentliche Nahverkehr wenig lukrativ. Im Winter nutzt fast niemand das Angebot, die Räder müssen aufbewahrt und gewartet werden. "Ohne Zuzahlung läuft so gut wie nichts", sagte unlängst etwa Andreas Knie, Chef des Innovationszentrums für Mobilität (Innoz). Unter seiner Regie war 2010 der Feldversuch "Stadtrad Berlin" angelaufen. Dessen Ergebnisse sollen bei der anstehenden Systemumstellung berücksichtigt werden. Das Land Hamburg, in dem die Bahn ebenfalls seit Kurzem ein stationsgebundenes Ausleihen anbietet, schießt jährlich einen Millionenbetrag zu. Das Land Berlin will sich einem Zuschuss nicht verschließen, wenn das System läuft. "Wir haben ein klares Interesse, dass sich das Verleihsystem verbessert", sagte der Sprecher der Verkehrsverwaltung, Mathias Gille, der taz. Eingeplant sei bisher aber kein konkreter Betrag.

Die Bahn äußert sich nicht zu Kosten und Erträgen. Schon für den Bau einer Station muss das Unternehmen wohl einen vierstelligen Betrag investieren. Geplant ist ein Funksystem, eine Art Chip, der an der Station erkannt wird. Per Chip wird das Rad ausgelöst und wieder eingestellt, zeitaufwändiges Umhertelefonieren entfällt. "Das System wird benutzerfreundlicher", ist DB-Fuhrpark-Geschäftsführer Lübke überzeugt. Er will Call-a-Bike in allen Städten umstellen.

In Berlin soll das Stationsgebiet noch im Sommer ausgebaut werden, wohl aber auf das Gebiet innerhalb des S-Bahn-Rings beschränkt bleiben. Befürchtungen, der Bestand werde abgebaut, wehrte Lübke ab: Die Zahl an Rädern bleibe konstant. Sie liege sowieso deutlich höher als in vergleichbaren Städten.

Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Hämmerling, fürchtet gleichwohl, das System werde verschlechtert. Sie forderte das Land auf, nicht nur für den Straßenbau, sondern auch für Leihräder Geld in die Hand zu nehmen. Auch von Call-a-Bike-Kunden hagelte es Kritik. Er sei entsetzt, sagte ein bisheriger Nutzer. Für Geschäftsreisende und Spontannutzer sei das neue System viel zu unflexibel.

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10 Kommentare

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  • F
    Frankfurt-Radler

    Ich habe ja nur Erfahrung in Frankfurt und nutze den genialen Flex-Service im 3. Jahr. Callabike ist ein Ersatz für den Nahverkehr und Auto in der Stadt, da ich so schneller von Tür zu Tür komme, Fußwege und Wartezeiten in Nahverkehr vermeiden kann. Genial: Rad einfach am Bahnhof abstellen und mit der Bahn weiterfahren. Ein Stationssystem wird dies nie leisten.

     

    Ich verstehe auch nicht, warum man nun auch noch den Monatspreis senkt. Dies macht das System sicher nicht rentabler.

     

    Fazit: Ein vergleichbarer Mobilitätsersatz für die DB-Räder wird nur ein Brompton Klapprad sein.

  • HL
    Herbert Levinski

    Liest man die Kommentare, kommt man nicht umhin, unter den Werbebotschaften zum neuen Call-a-bike-System gut bezahlte Agenturhasen zu wittern, die für die Umstellung Werbung machen. Ich brauch doch nicht studiert haben um zu begreifen, dass Call-a-bike mit der Umstellung komplett den Markt wechselt. Es gibt doch außer Touristen niemanden, der ein Fahrrad dazu mietet, um von einer Station zur anderen Station zu radeln, wenn sich das auch mit U-Bahnhof und U-Bahnhof übersetzen lässt. Für solche Verkehre gibt es U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen.

     

    Noch ärgerlicher, wenn die Grünen für solchen Unsinn Steuergelder ausgeben wollen. Mit Fahrradverkehr hat Call-a-bike in Zukunft nichts zu tun, bitteschön: Das System wird ausschließlich von Gruppen genutzt, die einen Tag lang mit dem Fahrrad Berlin erkunden wollen. Dafür gibt und gab es aber andere Angebote. Für Pendler, für radfahrwillige Berliner o.ä. ist das System mausetot. Das zeigt auch der Vergleich mit Paris, wo die Velos auch nur von Touristen genutzt werden können, weil das System für den Parisien viel zu unflexibel ist.

  • GS
    Geremek Schwarzer

    Einfach mal öfter nach Hamburg schauen, liebe Hauptstadt, offen sein für Neues und nicht immer erst alles schlecht reden. Das System funktioniert hier sehr gut, die ersten 30 Minuten sind kostenlos und man bekommt immer ein Fahrrad. Demnächst an noch mehr Stationen - das spricht für das System.

     

    Macht doch eine Online-Petition für ein überholtes und dem Nutzerverhalten nicht angemessenes System. Einfach nur der Petition wegen, yeah!

     

    Cheers, GS

  • EA
    Enzo Aduro

    Kein Zuschuss!

    Ist doch das Problem der Bahn, nicht von Berlin. Das Produkt lohnt sich nicht, weil es kompliziert teuer und schlecht ist.

  • WW
    Wir wollen "Call a Bike" zurück!

    Auf Facebook sammeln wir Unterstützung für eine parallele Beibehaltung des alten Systems. Wer uns helfen oder mitdiskutieren möchte, darf gerne auf folgender Seite den obligatorischen "Gefällt mir"-Knopf drücken:

     

    http://www.facebook.com/pages/Wir-wollen-Call-a-Bike-zurück/191358094234565

  • R
    Radler

    Die DB ist als Fahrradvermieter voll im Trend, wo doch in der Fläche gerade viele Ehemalige Bahnstrecken zu Fahrradwegen umgebaut werden. Auf diesen Wegen fährt es sich richtig gut. Dank der Leistung der Ingenieure von damals. Bei Max 2% Steigung muss keiner Schieben und über ein Hundertjähriges Viadukt zu Radeln ist fast schon wie Fliegen fern von stinkenden und lähmenden Autos. Weiter so DB das Kerngeschäft ist doch eh nur noch Fassade für die die nicht wahrhaben wollen das das Zeitalter der Eisenbahn vorbei ist.

     

    Wenn die Berliner Leihräder in spürbarer Menge haben wollen müssen sie sich selber darum bemühen und nicht auf den nächsten Werbegag der DB warten. Teuere Sonderanfertigungen verbaut und schwer um Vandalismus vorzubeugen, Elektronik um die Angestellten auf Schnitzeljagd zu schicken sind alles andere als ein Praktikable Lösung.

     

    Die Lösung ist einfache, robuste und kostengünstige Räder in Großer Stückzahl auf möglichst viele Stationen verteilen. Paris 2008 sollte das Beispiel sein.

  • O
    Olaf

    Für die Bahn ist das Ganze nur ein Marketinggag - es geht nicht darum die Mobilität einer Stadt zu verbessern, sondern so auszusehen als ob man es täte "Anschlussmobilität für Bahnreisende garantieren", wie sie sich ausdrückt. Daher sind herumstehende Räder sogar fast noch besser als fahrende, speziell in Bahnhofsnähe. Und so sieht Call a Bike Bundesweit denn auch überwiegend aus.

     

    Die Bahn ist einfach nicht der richtige Betreiber für sowas. Niemand der einen lokalen carsharinganbieter hat nutzt db-rent.

  • A
    Akula

    Sollte die DB weiter am neuen System festhalten, haben sie mich als Kunden bereits verloren. Genau die Flexibilität war überhaupt die Überzeugung für mich, das System zu nutzen.

     

    Und ich bezweifle im großen Maße, das hier irgendetwas defizitär wäre. Das der Winter kommt, wird auch den neuen Stationen zusetzen und eine Ausleihe unmöglich machen. Man hat ja bisher nichteinmal versucht, einen Winterdienst anzubieten, auch weil die Elektronik unter den Umständen anfällig ist und das Fahren mit dem Fahrrad bei Eis und Glätte kaum möglich wird.

     

    Das neue System wird ein Flop werden, gerade weil er sich nun am ÖPNV orientiert und im Vergleich das starke Nachsehen hat. Zumal für die Abonnenten wie mich, die sowieso ein Ticket nutzen. Und wer Fahrrad fahren will, der fährt lieber mit seinem eigenen Fahrrad die Strecken, als 40 cent pro 5-10Min Fahrzeit auszugeben.

     

    Schade, werte DB. Vorallem weil man außerhalb des S-Bahn Innenrings und die Beschränkung auf Mitte-Mitte, Kreuzberg und Prenzlauer Berg das Angebot nichtmehr nutzen kann und man keine Übergangsphase hat, ist dies ein weiterer Grund, meinen Account zu löschen. Sehr, sehr schade.

  • R
    rettetcallabike

    Die Bahn filtert ab sofort alle negativen Kommentare im Facebook heraus, es erscheinen in der Standardsicht nur noch Bahnmeldungen. Bitte verlangt dort wieder die Filterung nach aktuellen Beiträgen!! http://www.facebook.com/callabike.de Begründung, sie will die Debatte versachlichen.

  • R
    rettetcallabike

    callabike hat den Filter auf Facebook so gesetzt, daß die aktuellen (meist negativen) Beiträge ausgeblendet sind. Es erscheinen nur noch die eigenen Beiträge. Bitte fordert die Umstellung des Filters so daß die neuen Beiträge wieder oben stehen. http://www.facebook.com/callabike.de