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die wahrheitIm Jahr des Hasen: Weltdemokratie

Nach den Umstürzen in Tunesien und Ägypten suggerierte der US-amerikanische "China-Experte" (dpa) Gordon Chang stante pede - das ist der Mann, ...

... der 2001 den Untergang Chinas für spätestens 2006 prophezeit hatte -, als Nächstes sei die chinesische Regierung dran: "Chinas Kommunisten", zitierte ihn die Nachrichtenagentur dpa, "haben allen Grund, besorgt zu sein." Auch Heimwerker Ai Weiwei meldete sich zu Wort. Die Ägypter hätten nur 18 Tage gebraucht, um ihr 30 Jahre altes Regime zu stürzen. Für die chinesische Regierung werde man wohl etwas länger brauchen. "Für dieses 60 Jahre alte Ding könnten einige Monate nötig sein." Nach diesem Umsturz, davon sind wohl Ai und Chang überzeugt, wird man in China endlich eine echte Demokratie errichten.

Das ist eine tolle Perspektive, schließlich bin auch ich für Demokratie. Allerdings muss dann auch wirklich die Mehrheit regieren. Um das zu garantieren, kann im Zeitalter der Globalisierung Demokratie nur global organisiert werden. Das heißt: Zunächst ist einmal ein Weltparlament zu wählen. Das allerdings kann kaum so aussehen wie die klägliche Versammlung, die der ehemalige RCDS-Vorsitzende Rasmus Tenbergen Anfang 2008 als "World Parliament Experiment" in Bonn zusammengetrommelt hatte. Dort waren nur insgesamt 25 Länder mit Delegierten vertreten, darunter kein einziger Chinese.

In einem echten Weltparlament sähe das anders aus. Würden die Abgeordneten entsprechend dem Anteil der verschiedenen Nationen an der Weltbevölkerung vertreten sein, müssten die Chinesen 19,5 Prozent der Parlamentarier stellen. 17,3 Prozent der Abgeordneten wären Inder. Die Bewohner der Europäischen Union kämen dagegen nur auf ganze 7,3 Prozent. Die Deutschen allein (1,2 Prozent der Weltbevölkerung) würden übrigens an der Fünfprozenthürde scheitern, genauso wie die Bewohner der USA (4,5 Prozent). Insgesamt stünden den Bewohnern des westlichen Blocks ziemlich genau 14,5 Prozent der Abgeordneten zu.

In einer Weltregierung dürften dann die Westler allenfalls den Kulturminister stellen. Der könnte aber kaum verhindern, dass das neue Kabinett sofort mit der Umverteilung des globalen Reichtums in Richtung Weltbevölkerungsmehrheit begönne. Selbstverständlich müssten in einer demokratisch verfassten Welt auch die Menschenrechte garantiert sein. Zu diesen zählt die freie Wahl des Wohnorts. Schon einige tunesische Revolutionäre hatten von diesem Recht Gebrauch machen wollen, indem sie in die EU zu emigrieren suchten. Dabei stießen sie auf erheblichen Widerstand. Unter einer demokratischen Weltregierung wäre ein solcher Wohnortwechsel völlig unproblematisch. Natürlich würde sie alle Grenzen öffnen lassen.

Bei einer demokratischen Bewegung, die für die genannten Ziele eintritt, wäre ich sofort dabei. Ich sehe allerdings nicht, dass diese momentan sonderlich populär wären. Jedenfalls nicht bei denen, die sich immer als Erste melden, wenn die sofortige und bedingungslose Demokratisierung Chinas gefordert wird. Warum eigentlich nicht?

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6 Kommentare

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  • MM
    Matthias Mersch

    Ach Y., oller Maoist,

    haste das immer noch nicht kapiert, mit der Demokratie?! Lass es dir doch gelegentlich von Kretschi 同志 erklären: in einer Demokratie wird gewääählt, capito? Da wird nicht nach Quote oder Bolschewiki-Daumenpeil zugeteilt: "Würden die Abgeordneten entsprechend dem Anteil der verschiedenen Nationen an der Weltbevölkerung vertreten sein, müssten die Chinesen 19,5 Prozent der Parlamentarier stellen. [...] Die Deutschen allein (1,2 Prozent der Weltbevölkerung) würden übrigens an der Fünfprozenthürde scheitern, genauso wie die Bewohner der USA (4,5 Prozent)." Ja, geht´s noch? So was von Ständegesellschaft und Quotenmann! Wie altpreußisch! Bielefeld wie es leibt und lebt! Bei der allgemeinen Beliebtheit Deutschlands (vgl. http://www.welt.de/politik/ausland/article12725365/Deutschland-bleibt-beliebtestes-Land-der-Welt.html) wird uns nach der Papstwürde auch noch mit spielerischer Leichtigkeit in freier, gleicher und geheimer Wahl das Amt des Weltpräsidenten zufallen! Nur das Amt des Weltaußenministers (schließlich wollen heikle Verhandlungen mit den Klingonen und Frogs in „trockene Tücher“ gebracht werden! Nachruhm ist also sicher!) müssen Joschka und Guido unter sich auskarteln. Hu Jintao, die Diskretion in Person, wird Frisör im Beauty-Shop des Weltparlaments (aufs Einseifen und Enthaaren versteht er sich ja, und eine schicke Topffrisur dürfte er auch als Wokbenutzer hinbekommen). Sarkozy darf erstmals in seinem Leben Geld mit einer sinnvollen Tätigkeit verdienen, denn er ist – bekleidet mit dem schicken Fukushima-Graumann nach Entwürfen von Karl Lagerfeld, den dann schon tout Paris trägt – für das regelmäßig-ordnungsgemäße Austauschen der Kaffeekartuschen im Espressoautomaten in der Lobby des Parlaments zuständig. Sonst bitte nur frische, unverbrauchte Gesichter! Drum wird´s leider auch nichts mit einem Parlamentssitz für dich, aber du würdest dich ja auch besser als Weltbürokrat machen, diensteifrig unterwegs zwischen Büroschlaf und Schnarchzapferei. Zum Beispiel im Amt des Wasenmeisters auf dem Schuttplatz der Geschichte, ein Pöstchen, das dir doch geradezu auf den Leib geschneidert ist, wenn wir mal ehrlich sind!

  • JB
    Justus Becker

    Antwort an Jan Reyberg

     

    Sie hätten natürlich recht, wenn wir in einer Welt leben würden, in der die Wirtschaft lokal und Krieg kein Thema wäre...träum...

     

    In der realen Welt sollten wir Subsidiarität dadurch umsetzen, dass wir eine "Weltdemokratie" schaffen, in der z.B. ein Subsidiaritätsveto den föderalen Charakter garantiert. (Es gibt viele Möglichkeiten einem Machtmissbrauch entgegen zu wirken).

     

    Ohne demokratische Föderation kapitulieren wir vor dem internationalen Markt und dieser wird es eiskalt ausnutzen.

  • JR
    Jan Reyberg

    Machtkonzentration ist immer auche gefährlich. Seid mal leiber für ein System von Kleinststaaten mit Freihandel und Demokratie. Erstens bleibt so der Politikwettbewerb bestehen und es kommt nicht zu Gesetzeskartellen. Zweitens bewahrt man so eine Exit-Option gegenüber schlechter Politik. Drittens verhindert man wesentlich besser jede Art von Fremdbestimmung. Je kleiner die Bevölkerung meiner Demokratie ist, desto mehr Gewicht hat die einzelne Stimme und desto mehr Anreize hat jeder sich mit politischen Fragen auseinder zu setzen. Ich halte Europa schon tendenziell für gefährlich, über eine Weltregierung will ich erst gar nicht nachdenken...

     

    Subsidaritätsprinzip!

  • RT
    Rasmus Tenbergen

    Sehr geehrter Herr Schmidt,

     

    wenn Sie gegen internationale Demokratisierung wären, könnte ich es verstehen, dass Sie bescheidene erste Schritte hierzu als "kläglich" bezeichnen um weitere zu verhindern. Da Sie aber vorgeben, eine solche Entwicklung für wünschenswert zu halten, wundert es mich, dass sie das nicht positiv oder zumindest journalistisch neutral kommentieren.

     

    Wie sollen internationale Institutionen demokratisiert werden, wenn keine Zwischenschritte möglich sind? Das Gegenteil ist m.E. der richtige Ansatz: Experimente zu wagen, selbst wenn diese noch Schwächen haben. Mit Gandhi gesagt: be the change, you want to see in the world. Wenn wir die internationale Demokratisierung wollen, müssen wir irgendwie damit anfangen.

     

    Die herzliche Einladung dazu besteht im World Parliament Experiment auf:

     

    http://www.world-parliament.org

     

    Mit jedem zusätzlichen Unterstützer wird es weniger "kläglich", positiv formuliert: potentiell extrem machtvoll.

     

    Wenn Ihnen die Repräsentation gefehlt hat, hätten Sie ja auch auf unsere Veranstaltung in Norwegen 2007 verweisen können mit 450 Teilnehmern aus über 100 Ländern, Video hierzu u.a. auf:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=8rm8JEdwJpY

     

    Freundliche Grüße,

     

    Rasmus Tenbergen

  • M
    Marcus

    Ja! Weltregierung, der Idee würde ich mich auch anschliessen! Ich habe ja auch einige chinesische Freunde und würde das der Chinesen- und Indermehrheit schon zutrauen. Und bin muss gestehen, ich bin nicht so ganz zufrieden mit der Amerikaner- und Europäer-Minderheitsregierung bisher. Da sollten wir nochmal drüber reden.

  • FB
    Friedrich Brandi

    Sehr geehrter Herr Schmidt,

     

    herzlichen dank für Ihren Artikel. Es hätte mich gefreut, wenn Sie all denen, die sich mit dem Thema noch nicht so gut auskennen, einen Überblick über die existierenden Initiativen gegeben hätten:

     

    z.B. in Deutschland

     

    Komitee für eine demokratische UNO

    http://www.kdun.org/de/

     

    Egality Berlin (befindet sich in der Gründung)

    http://egalitynow.org/

     

    z.B. internationale Kampagnen

     

    Kampagne für die Einrichtung einer Parlamentarischen Versammlung bei den Vereinten Nationen (UNPA)

    http://de.unpacampaign.org/

     

    Per Referendum zum Weltparlament

    https://voteworldparliament.org/

     

    Building Global Democracy

    http://www.buildingglobaldemocracy.org/

     

    ps: Es würde mich freuen, wenn Herr Schmidt mich kontaktieren würde.