WAHL im NETZ: SPD jetzt auch im Netz

Auf Abgeordnetenwatch.de können WählerInnen ab sofort die den BürgerschaftskandidatInnen zwiebeln - und diesmal sogar die Genossen

Manch einer sticht schon heraus beim Online-Auftritt. Bild: Screenshot

Anders als vor vier Jahren ging gestern konfliktfrei die Bürgerschaftswahl-Plattform des Portals Abgeordnetenwatch.de online. Noch vor der Freigabe durch den Landeswahlleiter habe man "270 Kandidierende ermittelt", sagt Gregor Hackmack. Der gehörte 2004 zu den Gründern des Internet-Projekts: Dort können BürgerInnen web-öffentlich Fragen an Kandidierende richten. Deren Antwortverhalten ist ebenso einsehbar - auch lange nach der Wahl.

Und diesmal durfte Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) die Schirmherrschaft übernehmen. "Wir sind froh, dass wir das machen", sagt er. "Gerade in diesem Jahr" - weil ja das neue Wahlrecht ein "personenbezogenes Element hat".

Webers Segen ist bemerkenswert. Denn noch im Herbst hatte sich die Bremer SPD internetskeptisch gegeben: Sie hegte Bedenken gegen den von der Landeszentrale für politische Bildung moderierten Wahl-O-Maten, bei dem online die eigenen Vorstellungen mit einem Kondensat der Programme abgeglichen werden (taz berichtete). Vor vier Jahren hatte Weber sogar die versprochene Schirmherrschaft fürs Hackmack-Projekt zurückziehen müssen: Energisch hatte Jens Böhrnsen seine Nichtteilnahme verkündet. Der SPD Landes-Geschäftsführer rief gar zum Boykott auf. Das wirkte. Auch wenn via Kandidatenwatch damals ein rechts gesinnter Bewerber auf der Linken-Liste aufflog (taz berichtete) - das Fehlen der seit 1949 in Bremen stärksten Partei schmälerte den Reiz.

Bremen wirbt auf allen Kanälen:

Telefon: Infos solls geben unter (0421) 361 55555. Nur: wann?

Website: Hier lässt sich ausprobieren, fünf Kreuze zu machen. Bei zu vielen Clicks färbt sich ein Feedbackfeld rot. Nur: Der Titel 5stimmen.de setzt voraus, dass man sich schon auskennt.

Online-Clip: Auf www.youtube.com/watch?v=IwkdvheA4qQ dröselt ein Video die Möglichkeiten auf, fünf Kreuze zu verteilen. Bloß findet Youtube meist zuerst einen Partei-Werbeclip

Schnupperwahllokale: Gibts in Bürgerschaft, Postamt 5, Zentralbibliothek, Bauamt Bremen-Nord, Bürgerbüro Bremerhaven. Nachteil: Nix im Osten, nix links der Weser. (bes)

"Das wäre heute keinem mehr zu vermitteln", sagt Weber. Gerade in Bremen nicht, könnte er hinzufügen. Das ist laut (N)Onliner-Atlas schon seit Jahren die deutsche Stadt mit der höchsten Internet-Quote: 80,2 Prozent der BürgerInnen nutzens, 5,2 Prozent mehr als in Hamburg.

Dabei ist der Blockade-Grund geblieben: Während man auf der Straße, im klassischen Wahlplakat-Modus, oft sehr unvermittelt aufeinanderprallt, wollte sich die SPD seinerzeit - wie auch Teile von Die Linke - in der virtuellen Welt nicht auf dieselbe Plattform begeben wie die rechtsradikale DVU, die extrem rechten Republikaner und die von Volksverhetzer Joachim Siegerist angeführte Formation "Bremen muß leben". Zwar sind die Mußlebisten ebenso wie die Reps in der Versenkung verschwunden, und auch die DVU tritt im Mai nicht an. Aber auf eine inhaltliche Neubesinnung von deren ehemaligen Spitzenkandidat Sigfried Tittmann, der sich diesmal als "Protest der Bürger" ausgibt, wird die Bremer SPD-Team wohl kaum vertrauen. Und von vornherein ausgeschlossen wird niemand vom Watch-Team, Tittmann nicht, die NPD nicht und auch nicht Jan Timkes "Bürger in Wut". Dass die fehlen liege nicht an der Site-Redaktion, so Hackmack: "Wir haben noch keine Rückmeldung von denen."

Allerdings hat man den Netiquette-Katalog verschäft und verhängt auch Sanktionen: Sexistische, rassistische und anderweitig diskriminierende Beiträge schaltet das Team nicht frei, KandidatInnen, die dreimal gegen diese Auflagen verstoßen, löscht es, wie den NPD-Frontmann in Sachsen-Anhalt. In Thüringen hat Abgeordnetenwatch sogar die gesamte braune Liste offline gestellt, nachdem bei dreien ihrer Bewerber das Maß voll war. Die schärfere Kontrolle "war uns wichtig", so Weber. "Das war für uns Voraussetzung."

Er hofft, dass die Plattform auch das neue Wahlrecht popularisiert: Das ist kaum ihre Hauptfunktion. Und das Arsenal an Wahlrechtsaufklärungsmedien ist ja schon erheblich. Aber: Für 16-Jährige ist das Web längst Leitmedium, 97 Prozent der Jugendlichen sind Onliner. Gut möglich, dass gerade die ErstwählerInnen Abgeordnetenwatch.de nutzen, um angstfrei PolitikerInnen anzuhauen, zu zwiebeln - und sich selbst zu orientieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.