Kolumne Blagen: Im Reich der Gewänderelsen

Wie ich einmal farbenprächtig sein wollte und dabei fast zu einer gepanzerten Kuh mutierte.

Mir ist nach bunt, ich will mir einen Rock kaufen. Schließlich ist Frühling. Die Kollegin sagt: Geh in diesen einen tollen Laden, rechts raus aus der taz, zweite links, dann immer geradeaus - du kannst es gar nicht übersehen

Ich mag die Kollegin, ich mag auch, was sie trägt. Sie ist immer sehr schick in beste Biobaumwolle gekleidet, pures Understatement. Keine "Gewänderelse", wie ein ehrlicher Kollege Frauen mittleren Alters zu bezeichnen pflegt, die ihre Körper in weite Kittelkleider stecken. Er war es auch, der mich rechtzeitig vor bunten Claudia-Roth-Tüchern, riesigen Korallenperlenketten und Designerschmuck aus gebürstetem Stahl gewarnt hat.

Ich mache, was er sagt und schlage einen weiten Bogen um die Naturfarben, die weiten Schnitte, die teuren, irgendwie auch ein bisschen verrückten Schnabelschuhe und den Monsterschmuck.

Warum ich das auch weiter tun sollte, wird mir in dem empfohlenen Laden schnell klar. Das Zauberreich der Gewänderelsen besteht aus vierhundert Quadratmetern Textilfröhlichkeit: Röcke, Shirts, Schals, Taschen, dazwischen Tulpensträuße und Weidenapplikationen, das Ganze umspült von 90er-Jahre-Enya-Klingklong-Musik. Gleich vorn erwarten mich zwei Verkäuferinnen mit flippigen Hennafrisuren, sie tragen wadenlange Ballonröcke, über denen zwei Lagen unterschiedlich gemusterte Biobaumwolle wallen. Auf meine Frage nach BUNT schauen sie mich lustig an. Sie sind immer lustig, selbst dann noch, wenn eine Kundin inmitten eines Farborkans nach bunten Röcken fragt.

Die eine, laut ihrem Namensschild die Sabine, führt mich in den türkisen Bereich. Ich aber will ins Rote, da lachen mich doch schon von weitem die lustigen Röcke an. Die Sabine findet aber, ich sei eher so der türkise Typ, sie ruft die Malwine dazu, die mir zustimmt: ich hätte so fröhliche Augen, da würde das Rot ganz wunderbar korrespondieren - ob die Sabine mal springen könne nach dem flippigen roten Wenderock... Ja, die Sabine kann, und die Malwine geleitet mich zu den Umkleidekabinen, wo es ausschaut wie in der Kinderabteilung bei Ikea, so grün und blau und gelblustig ist's da. Die Kabinen sind auch endlich mal groß genug, um all die üppigen Gewänder anzuprobieren, die pfiffigen Monsterkleider, die flachen Biolederschuhe in 42, auf deren Spitze Blüten und Blätter appliziert sind, die gesteppten Wattemäntel im Tundralook, in denen Frauen nicht wie Königinnen aussehen, sondern eher wie eine gepanzerte Kuh.

Ich stehe in der weitläufigen Umkleidekabine, in meiner Hand baumelt der flippige Wenderock, draußen perlt Enya - und jetzt fällt mir auch ein, warum mich dieser Bullerbü-Laden so missmutig stimmt. Exakt wie hier sah es nämlich in den Neunzigern in den Zimmern, Schränken und Bilderbüchern meiner Töchter aus. Und exakt das ist auch die Verkaufsidee: Mutti, wird mir hier suggeriert, du bist doch gar nicht alt! Mach mal was Verrücktes, lass das Mädchen in dir raus und kleide dich so, wie du deine Kinder einst angezogen hast! Ich beschließe, dass ich mir bis zu meiner regressiven Phase doch noch zwanzig Jahre Zeit geben werde und rausche an der lustigen Sabine und der flippigen Malwine vorbei. Kurz verglüht ihr Lächeln, aber da betritt schon eine neue Kundin das Geschäft. Ihr ist sichtlich nach BUNT.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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