die wahrheit: Promis verpassen im Central Park

Im Guinness-Buch der sonderbaren Rekorde bin ich in mehreren Disziplinen vertreten. Besonders auffällig aber ist meine Gabe, Berühmtheiten zu verpassen ...

... Sie ist schon daran zu erkennen, dass ich ganze Kolumnen mit Geschichten darüber füllen kann, wie Freunde von mir irgendwelche F-Politpromis auf der Straße erspäht haben, aber nur von ferne. Hatte ich etwa schon erwähnt, dass ich mal versucht habe, zugleich mit Antje Vollmer durch eine Tür zu gehen, was übel für sie ausging (ich bin größer)? Echt, hatte ich schon?

Alles fing damit an, dass ich Hamburgerin bin, und Hamburger glauben nicht an Prominenz. Als ich zum ersten Mal nach Ostfriesland fuhr und ein Lokal betrat, sah ich Otto Waalkes, der damals noch beinahe bekannt war. Eine Hamburgerin tut dann so, als habe sie nichts bemerkt, obwohl alles in ihr danach drängt, sich ein Autogramm zu holen und den Mann unaufdringlich anzufassen. Man muss ja spüren, ob er echt ist. Danach könnte man ihn noch für ein Foto auf den Schoß nehmen (ich bin größer). Die Hamburgerin glaubt aber stattdessen, dass der Promi ignoriert werden möchte. Woran er dann eigentlich merken kann, dass er prominent ist - diese Frage hat sie sich noch nie gestellt.

Als ich zum ersten Mal nach New York kam, sollte ein Aktivistenmarsch genau an unserem Hotel vorbeiführen. An der Spitze der wunderbare Tim Robbins und die meinetwegen auch wunderbare Susan Sarandon. Wir standen damals extra früh auf, um bloß nichts zu verpassen, aber der Cop an der Ecke gab Entwarnung: Es würde noch Stunden dauern, bis die Demonstration den Central Park erreiche. Da gingen wir erst mal frühstücken. Mein Plan, das Leben von Tim Robbins entscheidend zu verändern, wurde somit von einem New Yorker Polizisten, einem Stück ökologisch einwandfreiem Zucchini-Kuchen und einem XL-Cappuccino torpediert. Susan Sarandon hat es mir gedankt, indem sie Tim Robbins Jahre später wegen eines lächerlichen Tischtennistrainers verließ. Vielleicht konnte sie keine Prominenten mehr ertragen.

Das alles finde ich heute genauso peinlich, wie dass ich einmal ganz laut "Wo?" gerufen und den Kopf verdreht habe, als mein Begleiter mir zuflüsterte: "Wolfgang Niedecken." Da ich aber inzwischen aus Hamburg weggezogen bin, konnte ich neulich ein Konzert von Dominic Miller besuchen, obwohl ich wusste, dass mindestens die Hälfte der Besucher bloß gekommen war, weil er als Gitarrist bei Sting arbeitet. Mein Freund, der selbst Musiker ist, unterhielt sich, bevor es losging, vor der Tür mit einem sympathischen Mann, während ich faul im Saal geblieben war. Kurze Zeit später stieg der sympathische Mann einfach auf die Bühne und verwandelte sich plötzlich in Stings Percussionisten.

"Hast du ihn jedenfalls angefasst?", flüsterte ich meinem Freund zu. "Nein, ich dachte, er sei der Bassist", entschuldigte er sich. "Hä?", hähte ich zurück. Er erklärte: "Es gibt eine Grundregel im Musikbusiness: Berühre niemals den Bassisten."

Womit meine Pläne, Stings Leben entscheidend zu verändern, wohl auch noch einmal überdacht werden müssen.

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kari

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