Kolumne Habseligkeiten: Matt ist das neue Schwarz

Sie dachten, weiß sei die Trendfarbe beim Automobil? Das war gestern.

Ich mag die Farbe. In meinem Kleiderschrank liegen mindestens fünf schwarze Pullover, wäre ich Brillenträger, wählte ich ohne Zögern ein schwarzes Gestell. Unser Brotkasten ist schwarz und auch das Auto. Dabei meine ich ein gewöhnliches Golf-IV-Schwarz, leicht glänzend, nichts Exaltiertes. Mein Großvater aus Bombay besaß, als ich Kind war, einen wunderschönen Ambassador in der gleichen Farbe. Ungefähr wie die Hälfte aller Autofahrer in Indien, die andere hatte sich für das weiße Modell entschieden. Viel mehr Auswahl gab es nicht, überhaupt fuhren nur sehr wenige dort damals Auto. Mobilität bestand hauptsächlich darin, dass ein Vater seine fünfköpfige Familie auf einem Bajaj-Roller zum Ziel balancierte. Meine Definition der Autofarbe Schwarz war somit klar umrissen. Bis jetzt.

Es begann damit, dass ich dachte, die Wirtschaftskrise hätte, obwohl sie offiziell als überwunden gilt, die Fahrer von aufgetakelten S-Klassen erwischt. Bei dem Wagen, der an mir vorbeiröhrte, reichte das Geld gerade noch für die dicken Felgen des tiefergelegten Mobils, nicht aber, um die Lackierung zu Ende zu bringen. Es sah aus, als habe jemand mit feinem Schmirgelpapier die gesamte Karosserie bearbeitet und es dabei belassen. Das Ergebnis, ich hielt es für vorläufig, erinnerte an diese flach geformten amerikanischen Tarnkappenbomber, deren Crews lange Flüge unternehmen, um im Schatten der Nacht fremde Städte zu bombardieren.

Nur ein paar Tage später fiel mir ein Renault Clio ganz alter Baureihe auf, in dem vier Mädchen saßen, die nicht unbedingt als die Pippa Middletons ihres Jahrgangs durchgehen würden. Aus den heruntergekurbelten Fenstern schallte ein Musikstück, wie man es weder im Deutschlandfunk noch im Kulturradio hört. "Auch denen", dachte ich, "ist das Geld ausgegangen, dafür lachen sie aber viel und wirken recht fröhlich".

Später tauchte in meinem Kiez noch ein dunkelgrüner Opel Kadett auf, der ebenfalls matt war, aber nicht zur Bundeswehr gehörte, obwohl der Fahrer militärisch frisiert war. Seitdem, vielleicht weil meine Sinne geschärft wurden - oder es liegt an den vielen Wettbüros in meiner Straße - sehe ich immer wieder Boliden, die tarnkappenschwarz lackiert sind und genauso aggressiv wirken. Was allerdings durch die Fahrweise ihrer Besitzer noch verstärkt wird.

Inzwischen weiß ich, dass es sich hierbei jedoch um einen Trend ganz besonders großer Autofreaks handelt. Sie übertragen das Prinzip "Armeehose" auf ihr Gefährt, sodass sie auch auf dem Asphalt der Straße kämpferisch rüberkommen. Dafür nehmen sie allerlei Ungemach in Kauf. Dieser Lack nämlich braucht extrem viel Liebe und Zuwendung, man darf damit angeblich nicht durch die Waschanlage fahren, man sollte das Auto am besten gar nicht anfassen, sonst könnte die ganze Herrlichkeit sofort kaputtgehen.

Glücklicherweise sind die Hochzeiten des Camouflage-Looks vorbei, es laufen nur noch wenige Menschen in Flecktarn herum. Die matten Wagen werden verschwinden, dann fahren die Menschen wieder rote, silberne und weiße Autos. Vor allem aber schwarze.

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