Deeskalation im Atomkonflikt mit Iran

Ein Kompromissvorschlag aus Moskau entschärft die Krise im Streit um das iranische Atomprogramm. Damit können die Verhandlungen zwischen Iran und Europa zunächst fortgesetzt werden. Die EU-Verhandler bleiben allerdings skeptisch

Teheran solle nicht glauben, „dass dieses Fenster immer geöffnet bleibt“

VON BAHMAN NIRUMAND

Iran und seine europäischen Verhandlungspartner Deutschland, Frankreich und Großbritannien werden ihre seit August ins Stocken geratenen Verhandlungen über das umstrittene iranische Atomprogramm wieder aufnehmen. Das ist das gestern erzielte Ergebnis der zweitägigen Sitzung des Gouverneursrats der Internationalen Atombehörde (IAEA) in Wien.

Einen vorläufigen Ausweg aus der Krise bot ein Vorschlag aus Moskau. Demnach soll ein Teil des iranischen Atomprogramms in Russland und unter Kontrolle eines russisch-iranischen Gemeinschaftsunternehmens abgewickelt werden. Iran solle die Umwandlung von Uranerz in das Gas Uran-Hexafluorid im eigenen Land gestattet werden, die eigentliche Urananreicherung soll dann in Russland erfolgen.

Zu Beginn der Sitzung hatten Vertreter der EU in ungewöhnlich scharfer Form die Haltung Irans im Streit um sein Atomprogramm angegriffen. Die EU sei „tief besorgt“ über die „vielfachen iranischen Versäumnisse“, sein Atomprogramm offen zu legen, sagte der britische EU-Botschafter bei der IAEA, Peter Jenkins. Teherans Verhalten untergrabe die Behauptung, sein Atomprogramm diene ausschließlich friedlichen Zwecken. Die EU sei bereit, angesichts des russischen Vorschlags der Diplomatie noch eine Chance einzuräumen. Allerdings sollte Teheran nicht glauben, „dass dieses Fenster unter allen Umständen geöffnet bleibt“.

Nach Angaben von Diplomaten herrschte unter den IAEA-Mitgliedsländern Einigkeit darüber, dass Iran auf eigenem Territorium kein Uran anreichern darf. Einen entsprechenden Entwurf legte das EU-Trio dem Gouverneursrat vor. „Es gibt einen breiten Konsens, Iran unter den gegenwärtigen Umständen alle mit der Anreicherung in Verbindung stehenden Aktivitäten auf seinem Staatsgebiet nicht zu erlauben“, hieß es in dem Papier.

Ob der russische Vorschlag, der offiziell noch nicht vorliegt, tatsächlich einen Ausweg aus der Krise bieten würde, ist mehr als fraglich. Denn Iran besteht als Unterzeichnerstaat des Atomsperrvertrags nach wie vor auf sein Recht, den gesamten atomaren Brennstoffkreislauf im eigenen Land zu produzieren. „Das ist unser verbrieftes Recht, und darauf werden wir unter keinen Umständen verzichten“, sagte der iranische Chef-Atomunterhändler Ali Laridschani im Vorfeld der IAEA-Tagung. Die EU wolle mit psychologischem Druck den Willen und die Entschlossenheit Irans angreifen. „Aber sie täuschen sich.“

Diese Haltung wird, trotz bestehender Differenzen und tobender Machtkämpfe, von allen Fraktionen im islamischen Lager geteilt. Offiziell hat sich Teheran zu dem russischen Vorschlag noch nicht eindeutig geäußert, es gab in diesen Tagen ablehnende Stimmen, aber auch versteckte Signale der Kompromissbereitschaft.

Die USA haben Russlands Initiative begrüßt. Sie gehen jedoch nach Einschätzung von Diplomaten davon aus, dass auch dieser Versuch scheitern wird. In diesem Fall würde auch Russland einer Einschaltung des UN-Sicherheitsrats nicht mehr im Wege stehen.

Wie die Agentur Reuters meldete, haben mehrere Geheimdienstvertreter am Rande der Gouverneurstagung bestätigt, dass Iran die Uran-Anreicherung in seinem unterirdischen Werk in Natans vorbereitet. Der Agentur liege ein vierseitiger Geheimdienstbericht vor, in dem ein hochrangiger Vertreter des iranischen Außenministeriums mit den Worten zitiert werde, dass am 24. Oktober bei einer Krisensitzung iranischer Atomexperten über Natans gesprochen worden sei. Dabei seien verschiedene Optionen erörtert worden. Ein fester Termin für das Anfahren sei nicht genannt worden.