Nordderby: Werders Alptraum hat ein Gesicht

Hannover 96 bleibt gegen Werder Bremen seiner Linie treu, aus bescheidenen spielerischen Mitteln das Maximum herauszuholen. Stürmer Abdellaoue trifft beim 3:2 drei Mal. Werder nimmt den Kampf nicht an.

Freut sich wesentlich bedächtiger, als er zum Torschuss antritt: Hannovers dreifacher Torschütze Mohammed Abdellaoue. Bild: dpa

HAMBURG taz | Thomas Schaaf ist bekannt dafür, seine Spieler vor allzu harscher Kritik zu schützen. Nach der Niederlage gegen Hannover 96 musste er sich selbst davor schützen, unbedachte Worte zu sprechen. "Kein Kommentar", antwortete Werders Trainer auf die Frage, wie er den Platzverweis von Marko Arnautovic bewerte. Jenes Spielers, der nach manchen Eskapaden in seinem ersten Werder-Jahr bereits resozialisiert schien. Bis weit in die zweite Halbzeit war er Werders bester Spieler, hielt die Mannschaft mit dem Anschlusstor zum 1:2 überhaupt im Spiel, um sich in einer einzigen undisziplinierten Sekunde mit einem bösen Tritt auf den Fuß von Sérgio Pinto wieder zum Buhmann zu machen.

Dieser Tritt erfolgte fast an der Stelle, an der bereits in der zweiten Minute ein anderer Werderaner dem Spiel mit einem Fehltritt seinen Stempel aufgedrückt hatte: Philipp Bargfrede foulte dort Lars Stindl so plump wie unnötig, so dass Hannover 96 sich durch den verwandelten Elfmeter frühzeitig in der Spielweise einrichten konnten, die sie im Moment beherrschen wie kein zweites Team in der Bundesliga: Konterfußball.

Der hat vor allem drei Voraussetzungen: aggressive Balleroberung, schnelles Passspiel und einen sicheren Abschluss. Darauf hat Mirko Slomka das System seiner Mannschaft ausgerichtet. Und er hat die idealen Protagonisten dafür, wie das 2:0 in der 38. Minute eindrucksvoll belegte. Die 96er eroberten an der Mittellinie gleich drei Mal hintereinander den Ball, den Jan Schlaudraff anschließend mit der Präzision eines Skalpells in die Schnittstelle der Bremer Innenverteidigung spielte, wo Elfmeter-Torschütze Mohammed Abdellaoue ihn staubtrocken verwandelte. "Er ist eine Tormaschine", sagte Trainer Mirko Slomka nach dem Spiel über den Norweger, der auf ähnliche Weise auch noch das 3:1 erzielte. Wobei das Wort "Maschine" dem feingliedrigen Stilisten irgendwie nicht gerecht wird. Fakt ist: Aus wenig Chancen macht er viele Tore.

Diese Charakterisierung trifft auf Hannover 96 als Ganzes zu. Die Mannschaft hat begrenzte Möglichkeiten, macht aber das Optimale aus dem Wenigen. Die Bremer waren am Sonntag das genaue Gegenteil davon. Sie nutzen ihr weitaus größeres spielerisches Potenzial so gut wie überhaupt nicht aus. Weil sie nicht wie in den Spielen zuvor um jeden Ball kämpften, wie sie es im Abstiegskampf der letzten Saison gelernt haben. Sondern sich entgegen aller Beteuerungen als "Bayern-Jäger" fühlten, der Hannover 96 mal eben im Vorbeigehen mitnimmt. "Wir waren vom Kopf her nicht bereit für die Partie", fällte Thomas Schaaf das bittere Urteil.

Eine Teilschuld muss sich Werders Trainer diesmal allerdings ankreiden lassen. Ausgerechnet eine seiner größten Tugenden wurde ihm zum Verhängnis: seine Geduld. Alle Beobachter rechneten spätestens zur Halbzeit mit der Auswechslung des völlig indisponierten Bargfrede, der allein vor dem 0:2 drei Fehlpässe in 15 Sekunden spielte. Aber die Mannschaft erschien unverändert zum Wiederanpfiff und als Schaaf sich nach einer knappen Stunde endlich zum Handeln entschloss, war es zu spät. Markus Rosenberg stand schon zur Einwechslung bereit, da hob Bargfrede als letzte Amtshandlung noch das Abseits vor dem 1:3 auf. Pizarros später Anschlusstreffer zum 2:3 konnte die zweite Bremer Niederlage nicht mehr verhindern.

Für Thomas Schaaf war es kein Trost, dass Mirko Slomka seine Mannschaft über den grün-weißen Klee lobte. "Das ändert am Spiel auch nichts mehr", grummelte der Bremer. Anschließend hatte er eine Busfahrt lang Zeit, die richtigen Worte für Rot-Sünder Arnautovic zu finden. Der erschien nach dem Spiel mit einem Schaukelstuhl auf dem T-Shirt und schilderte seine Sicht der Dinge: "Ich habe den Fuß drauf gestellt und der Gegenspieler hat dagegen getreten."

Mirko Slomka freute sich besonders darüber, nach der strapaziösen Europa League-Reise in die Ukraine noch so viele Reserven übrig gehabt zu haben. "Darauf haben wir gezielt hingearbeitet", verriet der 96-Coach. Und kann sich rühmen, in der zweiten Saison in Folge den effektivsten Fußball der Bundesliga zu spielen. Der reicht im Moment immerhin für Platz fünf.

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