Koalition beschließt Betreuungsgeld: "Herdprämie" in Sicht
Die Regierungskoalition will für Kleinkinder, die nicht in die Kita gehen, ein Betreuungsgeld von bis zu 150 Euro pro Monat zahlen. Der Bundesrat kann das noch stoppen.
BERLIN taz | Nach jahrelangem Streit in schwarz-gelben Reihen hat der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und FDP am Sonntagabend beschlossen, das umstrittene "Betreuungsgeld" einzuführen.
Geplant ist, ab dem Jahre 2013 zunächst eine Unterstützung von monatlich 100 Euro für Kinder im Alter von zwei Jahren zu gewähren, wenn die Eltern den Nachwuchs zu Hause betreuen und nicht in eine Kita geben. Ab 2014 soll das Betreuungsgeld dann auf 150 Euro steigen und auf Kinder im Alter von zwei und drei Jahren ausgeweitet werden.
Das Ja der Koalition zum Betreuungsgeld sei "ein sehr gutes Signal für Familien", erklärte die familienpolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär. Die geplante Sozialleistung vermittele "jungen Eltern, dass sie durch die Familienpolitik des Bundes nicht in ein bestimmtes Lebensmodell gedrängt werden".
Zu Details des Betreuungsgeldes wollte der Sprecher des Bundesfamilienministeriums, Christoph Steegmans, am Montag keine Stellung nehmen. Offen ist insbesondere, ob auch Mütter oder Väter, die ihr Kind nur stundenweise in eine Kita geben und Teilzeit arbeiten, in den zumindest anteiligen Genuss der Sozialleistung kommen. In der Vergangenheit hatte sich Familienministerin Kristina Schröder (CDU) dafür ausgesprochen, das Betreuungsgeld auch an Eltern zu zahlen, die Teilzeit arbeiten. Eine Obergrenze von 20 Wochenstunden war im Gespräch.
Die Zahl der Anspruchsberechtigten ist hoch, weil der Kitaausbau lahmt. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2010 gehen in Deutschland von den zweijährigen Kindern im Westen nur gut ein Drittel in eine Kita oder Tagespflegestelle, im Osten sind es 81 Prozent. FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte am Montag, das Betreuungsgeld müsse auf andere Sozialleistungen angerechnet werden. Damit bekämen Empfänger von Hartz IV keine Zuschüsse.
Obwohl über das Betreuungsgeldgesetz seit Jahren geredet wird, konnte das Ministerium am Montag nicht sagen, ob es im Bundesrat zustimmungspflichtig sein wird. Wäre es zustimmungspflichtig, könnte die Länderkammer das Gesetz kippen, da Union und FDP hier keine Mehrheit besitzen.
Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, sagte der taz, die Auszahlung des Betreuungsgeldes werde "aller Voraussicht nach über die Länderebene zu regeln sein. Damit wäre es zustimmungspflichtig." Sie bezeichnete das geplante Betreuungsgeld als "familienpolitischen Blindflug der schwarz-gelben Bundesregierung". Die baden-württembergische Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) kündete eine Bundesratsinitiative gegen die als "Herdprämie" verschriene Sozialleistung an.
Leser*innenkommentare
citty
Gast
Im Hinblick auf den demographischen Wandel ein totales Desaster!!!
magiceyes
Gast
die geneigten gebildeten, intelligenten und gebärfahigen Frauen werden sich auch für 150,00 €uro mehr im Monat nicht weiter vermehren. Denn das ist es ja, was die Regierung doch eigentlich will. Eine Frau, deren Mann und sie gemeinsam gut verdienen, bleibt doch nicht für 150,00 €uro mehr im Monat (-gutes Gehalt) zu Hause?
Tja, Bildung schafft eben auch Wissen.
Warum sich gerade diese Bildungsschicht, trotz - immer wieder lächerlicher Angebote - nicht vermehren will, hat damit sicherlich auch etwas zu tun.
Für Kinder brauch es immer mehr das, was die Welt immer weniger zu bieten hat.
Die Zukunft meiner Kinder kann mir nicht so egal sein!
emil
Gast
paradox, da werden selbst archaische beschlüsse als progressiv verkauft. ga ga
aurorua
Gast
@ 123456789012
Sehr geehrter Herr Schlauberger,
vielleicht ist Ihnen nicht geläufig das der/die Hartz IV Empfänger/in zwar Kindergeld erhält (wenn denn Kinder da sind), dasselbe jedoch als Einkommen vom ALG II wieder abgezogen wird. So wird es sicherlich auch mit diesem Betreuungsgeld geschehen.
Die einzigen die nicht in die Röhre schauen sind die Bonzenmamis a la von der Leyen, die sacken, ohne Not, alles ab was kommt.
happyhippybirthday.tumblr.com
Gast
I`m not very interested in politics ... but i think children are our future ...
tageslicht
Gast
@ 123486498645789746
"FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte am Montag, das Betreuungsgeld müsse auf andere Sozialleistungen angerechnet werden. Damit bekämen Empfänger von Hartz IV keine Zuschüsse."
Wer lesen kann ist klar im Vorteil.
Alles in allem sehe ich die Herdprämie allerdings ebenfalls sehr kritisch.
Lalenia
Gast
Zweifelsohne eine völlig unsinnige Regelung mit zu erwartenden negativen Auswirkungen. Bin dennoch entsetzt auf welchem Bild-Zeitungs-Stammtischniveau hier übelste Vorurteile reproduziert werden - wer arm oder Migrant ist nur aufs Geld scharf, und natürlich "versaufen Mammi und Pappi" das Geld. Wohl zu viel RTL II geguckt, was?
Hari Seldon
Gast
@allendorf: KiGa ist erst nach dem dritten Lebensjahr, und das Geld wird bis zum Ende des dritten Lebensjahr bezahlt. Laut Natur ist Mami für die Kleinkinder viel besser als fremde Personen. Die Kinderkrippen waren die "Erfindung" der Kommunisten damals, und nach der Wende (eigentlich noch vor der Wende) wurden die Kinderkrippen überall im Ostblock abgeschafft. Bitte, wir sollten bei den Fakten bleiben: Demagogie bringt nichts. KITA sollte auf Basis von FREIWILLIGKEIT eingeführt werden. Diejenige, die keine teueren KITA-Plätze in Anspruch nehmen, sollten dafür natürlich Kompensation erhalten. Nicht alle Familien geben das Kindergeld und ähnliches für Alkohol aus. Solche Aussagen sind genauso, wie die Behauptung, dass jeder, der im Haushalt Küchenmesser hat, ein Mörder wäre (mit einem Küchenmesser kann tatsächlich getötet werden, aber die überwiegende Mehrheit der Menschen benutzen die Küchenmesser für Küchenaufgaben).
123456789012
Gast
Das führt dann natürlich dazu, dass alle Migranten- und Hartz4-ähnlichen Eltern ihre Kinder n i c h t zur Kita geben, um lieber das Bargeld einzustecken, traurig, aber Alltag!!!
Riegsee
Gast
Also Herdprämie!
Pappi und Mammi versaufen das Geld und das Kind guckt in die Röhre.
Eine wahrhaft christliche Politik.
Spin
Gast
Vielleicht hat Eva Herman's Hetzbrief (Kindergärten als "Zwang! Sklaventum! Wahnsinn!“) Frau Schröder doch wieder auf den rechten Pfad zurückgebracht?
Das Gebot der Stunde wäre eine stramme Gleichstellungspolitik: Kita-Ausbau, Frauen- und Väterförderung, Modelle wie in Frankreich und Skandinavien.
Stattdessen: Weiterhin minijobbende Frauen, stärkere (Alters-)Armutsrisiken, mutterfixierte Kinder, kinderfixierte Mütter und die Beibehaltung von Gender Gaps - deutsche Sonderwege der Familienpolitik als letztes Gefecht der Merkelregierung.
Allendorf
Gast
Herdprämie trifft den Sachverhalt zum Teil. Es ist auch eine Fernhalteprämie für Wohlhabende. 1. Die Frauen die gut verdienende Ehemänner Haben und auf Unterhalt nicht angewiesen sind. Diese werden bevorteilt. Wofür? 2. Die Frauen denen defacto kein Kindegartenplatz rechtzeitig bereitgestellt werden kann und daher in die Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse gezwungen werden Regelleistungen zu beantragen müssen. Das erneute abdrängen dieser Frauen in die Arbeitslosigkeit führt dazu, dass Sie dieses Geld nicht zusätzlich zu den Leistungen nach den SGB II erhalten. Das ist eine extreme unsoziale Ungleichbehandlung. Im Ergebnis wird die Nachfrage nach Arbeitsplätzen gesenkt, Das Budget im Umfang für die Wohlhabenden und Reichen begrenzt.
qual der wal
Gast
"jungen Eltern, dass sie durch die Familienpolitik des Bundes nicht in ein bestimmtes Lebensmodell gedrängt werden"
das nenn' ich mal realitätsverweigerung!
flipper
Gast
Das ist ja super!
Der Staat zahlt für das Nichtnutzen einer von ihm angebotenen Leistung. Kriege ich als Fahrradfahrer jetzt Geld fürs Nichtbefahren der Autobahn - oder als Teilzeit-Radfahrer nur die Hälfte?
Oder wie wäre es mit Geld fürs Nichtnutzen des Unterrichts für Schulschwänzer, fürs Nichtstudieren für Handwerker etc., die Liste ließe sich beliebig verlängern, toll!
AntiFunt
Gast
Toleranz gegenüber anderen Lebensformen, selbst wenn man sie selbst vielleicht nicht als all zu großartig empfindet, ist immer eine tolle Sache.