die wahrheit: Wenn sich Witzfiguren wappnen

Wer etwas auf sich hält, braucht ein Familienwappen. Und John Bercow hält viel von sich. Deshalb ließ sich der Sprecher des britischen Unterhauses ein Wappen entwerfen...

Wer etwas auf sich hält, braucht ein Familienwappen. Und John Bercow hält viel von sich. Deshalb ließ sich der Sprecher des britischen Unterhauses ein Wappen entwerfen. Im Mittelpunkt steht eine Leiter, die seinen Aufstieg vom Sohn eines Taxifahrers zum Unterhaussprecher symbolisieren soll. Oder ist es Selbstironie? Will der winzige Politiker damit andeuten, dass er eine Leiter braucht, um über das Netz auf dem Tennisplatz schauen zu können? Das würde die vier Tennisbälle in der Leiter erklären. Vier Geldbeutel wären angebrachter: Bercow führte die Liste der Spesenritter im Londoner Unterhaus in den vergangenen vier Jahren deutlich an.

Emporkömmlinge haben den Vorteil, dass sie sich ihr Wappen aussuchen können, während der alte Adel, zum Beispiel Osborne, mit dem vorliebnehmen müssen, was ihnen die Vorfahren vererbt haben. Wappen seien wie ein alter Wikipedia-Eintrag, die Geschichte entbehre bisweilen jeder Grundlage, höhnte der Guardian. Der schlichte Fußballer David Beckham und seine Frau, das ehemalige Gewürzmädchen Victoria Adams, haben einen Schwan gewählt, der laut Heroldsamt wie ein Cartoon aussieht. Das allerdings passt zu dem Witzfigurpärchen.

Margaret Thatcher hingegen hat Isaac Newton und einen Admiral in ihr Wappen montiert. Der eine symbolisiert ihr früheres Leben als Wissenschaftlerin, der andere die Rückeroberung der Falklands von Argentinien. Für die neue Prinzessin Kate Middleton musste vor ihrer Hochzeit mit Prinz William ebenfalls ein Wappen her. Die drei Eicheln im Zentrum des Gebildes sollen andeuten, dass Kate und ihre beiden Geschwister zu starken englischen Eichen heranwachsen würden.

Man muss aber keineswegs einen Prinzen heiraten oder Unterhaussprecher sein, um das Recht auf ein Wappen zu erwerben. Es reicht, wenn man 3.000 Pfund ans Heroldsamt bezahlt. Dafür hilft einem ein Angestellter beim Design. Der Beamte, der Cliff Richard beriet, muss Sinn für Humor gehabt haben. Er empfahl dem Sänger das Motto "Sing ein neues Lied". Das sollte sich Richard zu Herzen nehmen, singt er doch immer noch die alten Schlager aus den Fünfzigern.

Auch andere Angeber aus dem Showgeschäft haben sich Wappen zugelegt, allen voran Paul McCartney, der peinliche Ex-Beatle. Er hat dafür eine Gitarre und einen Liver Bird gewählt, einen Fantasievogel, der einem Kormoran ähnlich sieht und das Symbol von Liverpool ist. Elton Johns Wappen ziert eine Klaviertastatur und ein Fußball, darunter das Motto in Spanisch: "El tono es bueno", was sowohl "Der Sound ist gut" als auch "Elton ist gut" bedeutet.

John Bercows Motto lautet übrigens: "Alle sind gleich". Aber manche sind gleicher als andere. Während Schatzkanzler George Osborne dem Volk - zumindest den unteren Rängen - vorige Woche einen drastischen Sparkurs verordnet hat, gab Bercow 37.000 Pfund Steuergelder für sein Wappen samt Porträt aus. Der Verfassungsexperte Kenneth Rose kommentierte den Geschmack des Minipolitikers: "Was für ein Verbrechen an der Wappenkunde!"

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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