die wahrheit: Der Pudel im Schafspelz

Japanerinnen sind erstaunlich einfältig: Sie können ein Lamm nicht von einem Pudel unterscheiden, wenn man der "Sun" glauben kann. Das kann man freilich nicht ...

Japanerinnen sind erstaunlich einfältig: Sie können ein Lamm nicht von einem Pudel unterscheiden, wenn man der Sun glauben kann. Das kann man freilich nicht: Der bunte Schmutzkübel hat sich die Geschichte ausgedacht. Die Sache ist zwar schon eine Weile her, aber in Anbetracht der Schlagzeilen um die Telefonabhöraffäre der inzwischen eingestellten News of the World ist fast in Vergessenheit geraten, dass die Sun das Gossenblatt schlechthin im Imperium des Medienzaren Rupert Murdoch ist.

Das Blatt berichtete, dass gewiefte Gauner reichen Japanerinnen Lämmer als Pudel angedreht haben. Die Opfer glaubten, so weiß die Sun, dass es sich bei den Tieren um wertvolle Pudel-Miniaturzüchtungen handle. Ganze Herden seien aus Großbritannien und Australien nach Japan importiert und von einer Internetfirma als Schoßtiere zu Spitzenpreisen verkauft worden.

Die Sache sei erst aufgeflogen, als sich der japanische Fernsehstar Maiko Kawakami in einer Talkshow darüber wunderte, dass ihr neuer Pudel sich weigerte zu bellen oder Hundefutter zu fressen. Journalisten von anderen Zeitungen in der ganzen Welt, die einer Recherche offenbar ebenso abgeneigt sind wie die Sun-Kollegen, griffen die Geschichte dankbar auf.

Tatsächlich hatte Kawakami, die keinen Hund besitzt, von den verpudelten Schafen lediglich als Witz bei ihrem Friseur gehört und das in der Talkshow zum Besten gegeben. Selbstverständlich stimmte auch die Behauptung nicht, dass Tausende Japanerinnen auf die Fake-Hunde hereingefallen seien und die Polizei Ermittlungen aufgenommen habe. Japanerinnen seien deshalb so leicht hereinzulegen, meinte die Sun, weil Schafe äußerst selten in Japan vorkommen und die Bevölkerung daher nicht wisse, wie sie aussehen.

Aber auch bei ernsteren Themen lassen die Sun-Schreiber ihrer Fantasie freien Lauf. Vor fast genau einem Jahr, zum 50. Jahrestag der Fernsehserie "Coronation Street", behaupteten sie auf der Titelseite, dass al-Qaida einen Anschlag auf die Live-Übertragung der Weihnachtsepisode plane. Die Polizei habe gewaltige Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Zwar hätte ein bisschen Feuerwerk den Dauerläufer unter den Fernsehserien etwas aufgepeppt, aber auch diese Geschichte war frei erfunden, wie das Blatt ein paar Tage später verschämt und winzig auf Seite zwei einräumen musste.

Freilich wäre diesen Islamisten ein Anschlag auf eine Familienserie durchaus zuzutrauen. Schließlich habe ein muslimischer Busfahrer in London seine Fahrgäste hinausgeworfen, damit er in Ruhe seinen Teppich ausrollen und beten konnte, log die Sun. Der Guardian warf dem Kollegen mangelnde Kreativität vor: Er hätte weiterdichten sollen, der Busfahrer habe vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erstritten, dass er künftig nur noch gen Osten fahren muss und die Route 37A deshalb geändert wurde. Weil der Fahrer mit einem Dschihad gedroht habe, sei ihm genehmigt worden, mit dem Bus auf dem Weg nach Mekka diverse Einbahnstraßen in der Gegenrichtung zu benutzen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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