die wahrheit: Iron Man zwo null

Eine fette halbe Million Menschen wohnt hierorts, eine weitere halbe im Drumherum. Da nimmt es nicht wunder, dass manche Bekannte dir eine Ewigkeit nicht über den Weg laufen.

Eine fette halbe Million Menschen wohnt hierorts, eine weitere halbe im Drumherum. Da nimmt es nicht wunder, dass manche Bekannte dir eine Ewigkeit nicht über den Weg laufen.

Hannes kenne ich seit seligen Volksschulscharmützeln, als wir beide um Verena buhlten. Er gewann. Wenig später wandte sie sich einem Dritten zu. Wir beide wurden dicke Freunde. Nach zwei Dezennien ohne Funkkontakt begegnete ich ihm ausgerechnet in einer historischen Ausstellung über diese Stadt, die seit je Gomorrha gleicht.

Kurzerhand beschlossen wir, in einer Wirtschaft ein Anschlussbier einzusaugen. Noch vor dem ersten Schluck meinte ich zu ahnen: In Hannes gärte es, eine Anekdote zu erzählen, sein Befinden zu schildern, so etwas in der Art. Gern ließ ich ihn gewähren, allein schon aus beruflicher Neugier. Eingangs sagte er: "Tja, ein Kumpel nennt mich jetzt Iron Man Zwo Null. Und meiner Frau fiel der Eisenhans ein. Der aus dem Märchen."

Sogleich schaltete ich auf Assoziationsrasterfahndung, Abteilung Redensarten. Einer gehört zum alten Eisen, eine andere fasst ein heißes Eisen an. Der nächste schmiedet das Eisen, solange es heiß ist, oder hat mehrere Eisen im Feuer. Ich stieg in die Eisen, um mich zu bremsen, und ermunterte Hannes den Faden wieder aufzunehmen. Er stöberte nach wirkungsvoller Fortsetzung. Was meine Eitelkeit nährte, einen Bonus draufzusetzen: "Und Bismarck, oder? Beschwor der nicht preußisch kalt ,Eisen und Blut'?" - "Bingo", sagte Hannes. Und einen Schluck später: "Sagt dir der Begriff Hämochromatose etwas?" - "Hä? Hämo wie? Nö." - "Die häufigste Erbkrankheit, heißt es in zuverlässigen Quellen. Und niemand, wirklich niemand, den ich frage, hat den Namen je gehört." - "Saach bloß … schieß los."

Es nenne sich Eisenspeicherkrankheit und sei harmlos, wenn man die megahohen Eisenwerte im Blut rechtzeitig gentechnisch abcheckt. Anstatt sie wehrlos auf vermeintlich megamäßiges Trinken zurückzuführen. Und dem Trinken nunmehr ängstlich zu frönen. Wer den Test versäume, schließlich schlimmstenfalls an Leberzirrhose abkratze, dem werde dann mutmaßlich nachgerufen, er habe sich tot gesoffen. Darauf wollte Hannes hinaus: "Jedenfalls entdeckte man bei mir das mutierte Gen. Nu lassen sie mich alle paar Wochen zur Ader. Blutspende quasi. Weißte, ich tadelte mich seit Urzeiten als ruinöser Schluckspecht. Obwohl ich weniger zeche als Jean Paul. Kein Alkohol ist ja auch keine Lösung, nich?" Hannes Redeschwall speiste sich aus selbsthypnotischen Kräften, wie ich als Stiefsohn eines Therapeuten krumm analysierte. Er gehorchte einer Entlastungsstrategie. Warum haperte es daran?

Nach dem dritten Kelch Bier trennten wir uns. Auf meinem Heimweg setzte sich nicht Prinz Eisenherz durch, der Held taugte hier wenig. Mehr der Metal-Klassiker von Black Sabbath, "Iron Man", den ich sofort youtubte: "Has he lost his mind? Can he see or is he blind?" Das Netz erzählte dann auch Grimms Märchen. In Kürze: Der Eisenhans, erst verwünscht in einen wilden Mann, wird erlöst. Na denn man tau.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.