die wahrheit: Leerer Schein, Nase voll

Jetzt werden den Konsumenten auch noch barocke Schuldgefühle beim Parfümkauf aufgeladen.Mit dem Warnhinweis "Rauchen lässt Ihre Haut altern" ...

Ist das noch Werbung oder schon barocke Kunst? Das Duftwässerchen namens Vanitas von Versace. Bild: Versace

... erledigt die Zigarettenwerbung eine lästige Pflicht und belustigt uns allenfalls. Doch niemanden wird die erzwungene Warnung auch nur für einen Moment zum Innehalten bewegen. Das gelingt hingegen überraschend der Firma "Versace" in der Düftewerbung mit dem Parfüm "Vanitas". "Vanitas?" Heißt "Vanitas" nicht "leerer Schein, Nichtigkeit und Eitelkeit"? Kann man es nicht noch schärfer mit "Lüge, Prahlerei und Misserfolg" übersetzen? Und ist die Eitelkeit nicht die falsche Richtung des Ehrtriebes, das Streben nach dem Besitz äußerer, vergänglicher und unwesentlicher Vorzüge, mit der Absicht, anderen gegenüber zu glänzen?

Das behauptet jedenfalls "Meyers Konservationslexikon", das fordert, dass die Eitelkeit durch "Hervorhebung des Lächerlichen und einen Hinweis auf das Schädliche derselben beseitigt werden muss". Genau deshalb war es im Mittelalter allein dem Narren vorbehalten, dem parfümierten König den Spiegel vorzuhalten und den Gepuderten an seine Vergänglichkeit zu erinnern.

Überhaupt sind Täuschung und Spiegelung Hauptmittel der Vanitas-Läuterung. "Welcher Geist ist in der Parfümflasche?", fragt sich der Betrachter, der sich dabei selbst betrachtet. Kaufe ich das Fläschchen, so gelte ich als prahlerischer Ehrgeizling, sagt es mir. Aber seit wann höre ich auf Fläschchen? Da hatte es der Renaissance-Mensch leichter, denn er war es gewohnt, auf beunruhigende Vanitas-Motive zu blicken: Auf den damaligen Gemälden mahnten allerlei Totenschädel, rieselnde Sanduhren, verloschene Kerzen und bröckelnde Ruinen.

Aber auch Luxusgüter wie Schmuck und Parfümfläschchen lockten den törichten Betrachter. Solche Pretiosen symbolisieren Schönheit und Weiblichkeit, warnen aber auch zugleich vor hässlicher Vergänglichkeit, Selbstverliebtheit und der Todsünde Hoffart. Kennt die heute eigentlich überhaupt noch jemand, ist die Hoffart nicht völlig von der Hofeinfahrt abgelöst worden?

Gipfel der Parfümmahnung in der Kunst war sicherlich das Buch von Patrick Süskind, in dem der ruchlose, weil ohne Eigengeruch geborene Held beschließt, das beste Parfüm der Welt zu schaffen, und schließlich ein Duftwasser aus dem Extrakt ermordeter Frauen zusammenbraut.

"Vanitas" in der ersten lateinischen Bibel war übrigens die Übersetzung des hebräischen "Windhauch". Was soll uns das hingehauchte "Vanitas" auf dem Fläschchen im Parfümregal sagen? Wird es uns innehalten lassen lassen? Werden uns gar Zeilen wie aus "Es ist alles eitell" von Andreas Gryphius (1643) durchwehen? "Was itzund prächtig blüht sol bald zutretten werden. Was itzt so pocht und trotzt ist morgen Asch und Bein. Nichts ist das ewig sey, kein Ertz, kein Marmorstein."

Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden. Oder werden wir mit einem trotzigen "Gaudeamus igitur" alle Zweifel und Beschwerden abschütteln und das vergebens mahnende Parfumfläschchen zur Kasse tragen?

Sollte das geschehen, hat das Prinzip der barocken Antithetik wieder einmal gesiegt, das besagt, dass bei einer gleichzeitigen Warnung ein Genuss gerechtfertigt ist. Aber bedenke, Parfümkäufer: Der gedankenlose Genuss und das gierige Streben nach Reichtümern sind dem Calvinisten in dir sündhaft, der fest daran glaubt, dass Maßlosigkeit zum Verlust deiner irdischen Güter führt! Willst du das? Du kommst zurück und stellst "Vanitas" wieder ins Regal? Wandert dann deine Hand verunsichert zur nächsten Parfümflasche und zuckt schuldbewusst zurück? Dann lag sie bestimmt auf "Guilty pour Homme" von Gucci.

Was war das noch für eine schöne Zeit, als man ohne Schuldgefühl und langwieriges inneres Kolloquium Sanitärartikel einkaufen konnte!

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kari

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