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Jungmännliche Identitätskrise durch PopVogelweide war der erste Emo-Boy

In der Popkultur gab es schon immer Schmerzensmänner: von Burt Bacharach bis Robert Smith, von Grönemeyer bis Mercury, von Morrissey bis ins Mittelalter.

Er beeinflusste mit seinem Klageton Generationen, und tut es noch: Morrissey. Bild: dpa

Der Vorwurf steht im Raum: Sie seien "verkopft, gehemmt, unsicher, nervös, ängstlich, melancholisch und ratlos", behauptet Nina Pauer in ihrem Essay "Die Schmerzensmänner", erschienen im Januar in der Zeit. Schuld an dieser Verweichlichung von Männern habe - wie könnte es anders sein - der zeitgenössische Pop.

Die Autorin diagnostiziert, dass die "wunderbar melancholische Mädchenmusik" - Pauer meint von Liebe singende Singer-Songwriter - für eine "jungmännliche Identitätskrise" verantwortlich sei, weswegen sie quer durch den Popkosmos reitet und wahllos zitiert, etwa aus Herbert Grönemeyers Uralthit "Männer" aus den frühen Achtzigern, genauso wie aus Textzeilen des Hamburger Sängers Gisbert zu Knyphausen. Aber vor allem beruft sich Pauer auf bärtige US-Folkmusiker, etwa auf Justin Vernon alias Bon Iver.

Zeitgenössische Popkultur ist der Autorin Beweis genug für ihre These eines neuen, schwächlichen Manns. Das ist Unsinn. Herbert Grönemeyer etwa galt in den achtziger Jahren im Mainstream als schrill und frech, Avantgarde war der Text damals schon nicht. Und heute noch weniger, denn der Mensch ist schlicht dann ein Mann - das zeigt die Genderdiskussion der letzten Jahrzehnte -, wenn er sich als einer fühlt.

Ein Ansatz, mit denen Musiker wie Scott Matthew, Antony Hegarty oder eben Justin Vernon hantieren. Künstler, die nicht dem Mainstream-Männerbild entsprechen. Und solche Identitäsentwürfe gab es im Pop schon immer. Brachte etwa Kurt Cobain Ende der Achtziger nicht mit seinem Zweiflertum ein adrenalingeschwängertes Rockgeschäft ins Wanken?

Raum für "andere" Männer

Zerrte Freddy Mercury Mitte der Siebziger mit seinen homoerotischen Gesten nicht am tradierten Männerbild? Oder Prince? Oder Michael Jackson? Diese Beispiele zeigen, im Pop hat es immer Raum für "andere" Männer gegeben und deren sehr unterschiedliche Rollenbilder hatten Einfluss auf gesellschaftliche Milieus oder umgekehrt. "Höre ich Popmusik, weil ich traurig bin?

Oder ist mein Leben so elend, weil ich Popmusik höre?", diese Grundfrage stellt sich etwa der Protagonist Rob in Nick Hornbys Roman "High Fidelity". Eine verunsicherte Figur aus dem Jahr 1986, sie ähnelt frappierend dem "neuen" männlichen Protagonisten in Nina Pauers Essay. Eine literarische Figur wie aus einem Bob-Dylan-Song-Ich geschnitzt, jemand, der stets darauf hinweist, wie ihn alles quält. Eine ewig aktuelle Figur.

Jammern ist nicht nur Männersache. Das belegen Künstlerinnen wie Nico, Soap & Skin, Fever Ray oder Au Revoir Simone, die mit ihrer Unsicherheit, ihrer Todessehnsucht und ihren Selbstzweifeln geradezu kokettieren. Die Hymne aller Zweifler ist "I just dont know what to do with myself" aus dem Jahr 1964.

Komponiert wurde der Song von Burt Bacharach, einem Mann. Zu weltumspannender Bedeutung kam er durch die Sängerin Dusty Springfield, einer Frau. Beliebt war er zuletzt in der Version der White Stripes, 2003. Trauer zieht sich durch alle Zeiten. Warum also jetzt die ganze Aufregung?

Voller unerfüllter Liebe

Bereits im Mittelalter gab es Songs voller unerfüllter Liebe, die Minneklagen; Walther von der Vogelweide war demnach der bekannteste Emo-Boy. Gezaudert wurde aber in allen Jahrhunderten. Blues heißt nicht zuletzt deswegen Blues, weil seine Musik traurig ist, oder wie es Townes Van Zandt mal ausdrückte: "Theres the blues, and theres Zip-A-Dee-Doo-Dah."

Zu Beginn der Achtziger hatten die Wimps, die Schwächlinge im Pop, Konjunktur. Frauen und Männer verwischten ihr schwarzes Make-up, weil sie Robert Smith von The Cure jammern hörten, wie er "Can you help me?" in dem Song "Three Imaginary Boys" sang. Smith klingt dabei völlig verunsichert, deprimiert, vor der Auflösung des Song-Ichs.

Das Stück von 1979 spielt auf Freuds Kampf des Ich mit dem Es und dem Über-Ich an. Selbstzweifel, die schon ganze literarische Leben, wie etwa die von Franz Kafka oder Edgar Allen Poe prägten. Popstars sind manchmal sogar nur durch den in Songs zum Ausdruck gebrachten Schmerz zu besonderer Größe erwachsen. "Wenn du so lustig bist, warum bis du heute Abend allein in deinem Zimmer?", singt ein gewisser Morrissey 1986 in "I Know Its Over" und säht damit gigantische Zweifel.

Zweifler und Jammerer

Morrissey beeinflusst mit seinem klagenden Ton noch heute. "The Smiths waren das einzige, worauf ich mich verlassen konnte. Ich dachte, sie würden mich nie im Stich lassen", schreibt der Autor Marc Spitz in seinem Roman "Wann nur wenn nicht jetzt?"

Doch auch nach der Auflösung von Morrisseys Band The Smiths 1987 ergründet jede Generation für sich ihre jeweils eigenen Zweifler und Jammerer. Mal heißen sie Belle and Sebastian, Death Cab for Cutie, dann werden Joy Division wiederentdeckt, oder Nick Drake. Faszinierend, dabei zuzuhören, wie Musiker ihrem Innersten lauschen, wie sie thematisieren, dass sie sich in der Gesellschaft unwohl fühlen.

Popsongs dienen auch als Katharsis für Künstler und Rezipienten. Ob Mann oder Frau ist, einerlei. Es singt immer ein "Ich".

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7 Kommentare

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  • K
    Koni

    Naja klingt doch schlüssig und beliebig find ich das nicht eher ein guter Grundriss über die Popgeschichte.inklusive mittelalteremo. ;-)Dass der Text es nicht jedem Schaf recht macht, eh klar. Aber jetzt Schluss mit pauer!

  • K
    kazikaz

    frau pauer powert sauer

    auf jungen männern rum

    - wie dumm

    geht's ums poppen oder pop

    geht's gleich rund in ihrem kopp.

    sie kippt ergüsse in die zeit

    ist einer nicht allzeit bereit.

    und sie sehnt sich nach yesterday

    - eieiei, wie tut das weh.

  • US
    und sie gingen in die Irre, wie Schafe

    Vogelweide war der erste Emo-Boy, Jesus war der erste Surfer und Ötzi war der erste Messner.

    Gibt es in diesem Artikel irgendwas, was nicht völlig beliebig durcheinander geworfen wird? Mercury? Der Blues? Townes van Zandt? Dylan? Falsch zitiert, falsch interpretiert, falsch verstanden. Da wird einem schwindelig, vor lauter Chaos!

    Sorry, aber wenn das eine Hausarbeit wäre, käme die in dunkelrot zum Autoren zurück.

  • KM
    katze murr

    hach, schon morrissey's miene auf dem foto - zum dahinschmelzen.... ich denke, wer musikverrrückt und in den 80er jahren auf das ganze indie-zeug abgefahren ist, hat natürlich ein gänzlich anderes "männer(wunsch)bild" als das der fräulein pauer entwickelt- egal ob junge oder mädel or whatever.... androgynität war chic und machte frei. ich bin dankbar für diesen einfluss, denn er hat mir geholfen recht schnell herauszufinden, was ich absolut nicht brauche: kerle, die vorgeben zu wissen wer sie sind und wo's langgeht.

  • NP
    Nomi Pauer

    Das bringt die ganze Debatte doch mal auf den Punkt. Ich habe mich Immer Gefragt Wieso JETZT Denn diese Debatte? Devendra Banharts Debüt zum Beispiel ist auch schon Jahre her. So ein Sch(m)erz die bisherige Diskussion!

    Eine Frau

  • D
    deviant

    Nunja...

    Hintergrund, Thema und/oder Metapher solcher Songs ist doch die Metamorphose, nicht bloß die Katharsis.

    Es geht allzu oft um Selbstfindung in einer Welt, die Stereotype nicht mehr kennt - so etwas braucht eben manchmal etwas Zeit.

     

     

    Wenn diese Zeit ein Problem hat (wie Pauer beklagt), dann das, dass sich jeder selbst seine Identität zu suchen hat, statt diese durch Hitlerjugend, Armee und Partei aufgezwungen zu bekommen.

     

    Und das man das bei der taz eher gutheisst, als in der Springerpresse ist doch nicht überraschend...das nun durch immer neue, nichtssagende Beiträge zu kommentieren, ist aber überflüssig.

     

     

    Frau Pauer hat sich öffentlich beklagt, dass keiner sie ficken will und sie deshalb sexuell frustriert ist. Ihr wurde entgegen gehalten, dass sie in dieser modernen Welt selbst dafür zu sorgen hat, dass sie von nem Typen und nicht bloß vom Leben gefickt wird.

    Damit ist alles gesagt, gehen wir lieber zu Wichtigerem über...was treibt eigentlich Christian Wulff gerade? Occupy't der immer noch Schloss Avecsouci oder ist der schon wieder bei nem guten Freund zu Gast, der, so ein Zufall, plötzlich auftauchte, als er Ministerpräsident wurde?

  • D
    derPeter

    Korrekterweise müsste es heißen "Walther war der erste Emo-Boy". Vogelweide ist kein Nachname im neuzeitlichen Sinn, daher ist hier eigentlich der Vorname zu nehmen.