Programm gegen Cyber-Mobbing: Heute ein Opfer
Schüler sollen im Netz sozialer miteinander umgehen - Forscher der FU Berlin haben ein Präventionsprogramm gegen Cyber-Mobbing entwickelt.
Früher traf man sich mit der Clique auf dem Schulhof, um über seine Klassenkameraden zu lästern. Heute gruppieren sich Jugendliche ums Handy oder den Computer: Sie veröffentlichen peinliche Bilder oder Videos ihrer Mitschüler im Internet, posten gehässige Kommentare in sozialen Netzwerken oder gründen Hassgruppen, um gegen Außenseiter zu hetzen. Der gemeine Unterschied: Die Täter handeln meist anonym in einer Welt, die nichts vergisst.
Im Kampf gegen digitale Häme-Attacken haben Wissenschaftler der Freien Universität Berlin nun eines der bundesweit ersten Präventionsprogramme für Schulen entwickelt. Die Idee hinter dem Forschungsprojekt namens „Medienhelden“ klingt simpel: Schüler sollen mehr Einfühlungsvermögen an den Tag legen, indem sie lernen, sich in andere hineinzuversetzen.
Dafür riefen der Entwicklungspsychologe Herbert Scheithauer und sein Team ein Pilotprojekt mit 35 Oberschulen der Stadt ins Leben, von dem nun erste Ergebnisse vorliegen. „Neben der Verminderung von Cyber-Mobbing zeigte sich auch, dass sich Empathie und Perspektivübernahme grundsätzlich verbesser haben“, resümiert Scheithauer. Der Handlungsbedarf ist groß, sagt er – sei doch inzwischen jeder fünfte Schüler von Cyber-Mobbing betroffen.
900 SchülerInnen der Klassen sieben bis zehn beteiligten sich im Rahmen des Testlaufs an einem Projekttag oder absolvierten ein zehnwöchiges Intensivprogramm. In Rollenspielen nahmen sie verschiedene Perspektiven ein – als Opfer, Täter oder Mitläufer. „An unserer Schule ist Cyber-Mobbing nicht so präsent. Aber der Projekttag hat gezeigt, dass es jeden betreffen kann“, bilanziert Sabrina vom Walther-Rathenau-Gymnasium in Grunewald. Ihr Mitschüler Pavel zieht ein ebenso positives Fazit: „Der Workshop war sehr informativ. Ich achte nun darauf, dass meine eigenen Daten sicher sind.“
Die Medienkompetenz der Jugendlichen zu stärken ist wesentlicher Teil des Medienhelden-Projekts. „Kids können zwar mit Computern umgehen, ihnen fehlt aber oft Lebenserfahrung“, sagt Catarina Katzer vom Bündnis gegen Cybermobbing. „Es ist wichtig zu wissen, ob ich mich strafbar mache, wenn ich ein Foto veröffentliche.“ Darum sollen Schüler auch über rechtliche Aspekte der Mediennutzung informiert werden.
Fortbildung für Lehrer
Wie das Anti-Mobbing-Projekt an die Schulen gebracht werden kann, ist bislang noch unklar. „Am besten wäre es, das Programm in die Lehrerfortbildung zu integrieren“, betonte Scheithauer. Vertreter des Landes Berlin hätten auf einem Workshop bereits erstes Interesse gezeigt. Auch Schulpatenschaften durch Unternehmen seien ein denkbarer Weg, wenn staatliche Mittel fehlten. Freiwilligenarbeit lautet ein weiterer Ansatz: „Wir denken darüber nach, einen Teil unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter als Multiplikatoren schulen zu lassen“, sagt Jürgen Witt vom Opferverband Weißer Ring.
Bis es so weit ist, müssen sich Schüler und Eltern allein gegen Anfeindungen im Netz zur Wehr setzen. „Betroffene sollten sich zuerst an den Anbieter wenden, um Beiträge entfernen zu lassen“, rät Birgit Kimmel von der EU-Initiative Klicksafe. Sie empfiehlt, Anzeige zu erstatten und das Angebot von Mobbing-Beratungsstellen zu nutzen.
Am Schulklima ändert das allein natürlich nichts. Sabrina Jahn ist deswegen zu einem einfachen Schluss gekommen: „Ich bin einfach vorsichtiger, wem ich mich anvertraue.“
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