Kein zweiter Schuldenschnitt nötig: „Zeit zum Atmen“

Die griechische Wirtschaftsministerin Anna Diamantopoulou zeigt sich in Berlin zuversichtlich. Sie wirbt für Verständnis, bereits in diesem Jahr könnte sich die Lage stabilisieren.

Griechenlands Wirtschaftsministerin Diamantopoulo hielt sich am Donnerstag und Freitag zu Gesprächen in Berlin auf. : dpa

BERLIN taz | Griechenland braucht keinen zweiten Schuldenschnitt. Davon jedenfalls ist die Wirtschaftsministerin des kriselnden Mittelmeerstaates, Anna Diamantopoulou, überzeugt. „Nein, es ist genug“, sagte sie am Freitag in Berlin. Ihr Land stecke zwar noch tief in einer nationalen Krise, doch die ersten Investoren klopften nach dem jetzt vollzogenen Schuldenverzicht im Volumen von 105 Milliarden Euro wieder an.

Diamantopoulou hielt sich am Donnerstag und Freitag zu Gesprächen in Berlin auf. Die frühere EU-Kommissarin ist seit einer Regierungsumbildung Anfang März Wirtschaftsministerin. Bereits am Donnerstagabend hatte Diamantopoulou in Berlin auf einer Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung für Verständnis für ihr Land geworben. Nie habe ein OECD-Land so tiefe Einschnitte im Haushalt vornehmen müssen wie Griechenland.

Die Austeritätspolitik sei notwendig, um die Verschwendung von Mitteln zu beenden. Wichtig seien aber auch die soziale Gerechtigkeit, die griechische Souveränität und demokratische Verfahren. Die Krise verursache riesige soziale Kosten: eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent, Entlassungen, Lohnkürzungen, Steuererhöhungen. Diamantopoulou: „Wir brauchen Zeit zum Atmen.“

Innerhalb der vergangenen zwei Jahre habe Griechenland 248 Reformgesetze verabschiedet, so Diamantopoulou weiter. Diese Gesetze müssten auch umgesetzt werden – oft von Staatsbediensteten, die hohe Lohneinbußen hinnehmen mussten und sich ernsthaft um ihren Arbeitsplatz sorgen. Dennoch sei eine Gemeindereform durchgeführt worden, die die Anzahl der Kommunen von mehr als 1.000 auf weniger als 350 reduzierte.

Zukunftschancen in Landwirtschaft, Tourismus und Bergbau

Diamontopoulou machte aber auch Hoffnung. In diesem Jahr werde sich die Lage stabilisieren. Zukunftschancen gebe es in der Landwirtschaft, im Tourismus und im Bergbau. Ein wichtiger Baustein beim Aufbau der griechischen Wirtschaft sei der am Mittwoch mit der Europäischen Investitionsbank vereinbarte Garantiefonds. Er soll kleine und mittlere Unternehmen des Landes an der Ägäis bis Ende 2015 mit günstigen Krediten in Höhe von 1,44 Milliarden Euro unterstützen.

SPD-Bundestagsfraktionsvize Hubertus Heil sagte Griechenland Hilfe zu. „Das ist unsere europäische Verantwortung.“ Deutschland habe daran auch ein eigenes Interesse, denn eine Exportnation brauche starke europäische Partner. Heil hob die strategische Bedeutung der Griechenland-Hilfen hervor.

Nur ein einiges und starkes Europa könne den Wettbewerb mit China und den USA aufnehmen. Das Potenzial Griechenlands liege im Tourismus, in der Solar- und Ernährungswirtschaft. Auch der darniederliegenden DDR-Wirtschaft habe nach der Wende geholfen werden können.

Industrielle Innovationskultur muss sich entwickeln

Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hielt von dem DDR-Griechenland-Vergleich nicht viel. Die DDR sei ein Industrieland gewesen. In Griechenland müsse eine industrielle Innovationskultur erst entwickelt werden. „Damit müssen wir jetzt anfangen.“ Nötig dafür seien Universitäten, Firmen, vor allem aber gut ausgebildete Menschen.

Eine Möglichkeit sei, durch besondere Programme rückkehrwillige Griechen, die in aller Welt Karriere machen, in die Heimat zu holen. Zudem müssten die EU-Förderprogramme umgestaltet werden. Derzeit fließe Geld in die schwachen Regionen. Besser sei es, die Mittel in den starken Regionen um Athen und Thessaloniki zu konzentrieren.

Vielleicht kann Griechenland also doch von Ostdeutschland lernen. Statt viel Geld in der Peripherie zu versenken, konzentriert man sich dort bei der Wirtschaftsförderung mittlerweile auf die Wachstumskerne – auf dass etwaige Erfolge dort in die schwachen Regionen ausstrahlen.

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