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Die WahrheitHavarie mit Hangover

Ralf Sotscheck
Kolumne
von Ralf Sotscheck

Schiffsunglücke müssen nicht immer tragisch enden. Manchmal spenden sie Freude, und noch Jahrzehnte später lässt sich die Havarie zu Geld machen.

S chiffsunglücke müssen nicht immer tragisch enden. Manchmal spenden sie Freude, und noch Jahrzehnte später lässt sich die Havarie zu Geld machen. Am 5. Februar 1941 lief die „SS Politician“ auf einen Felsen im Sund von Eriskay auf, einer Insel im Süden der Äußeren Hebriden. Das Schiff war unterwegs nach New York und hatte eine interessante Ladung an Bord: 264.000 Flaschen Whisky. Die Inselbewohner stürzten sich beherzt ins Meer, um die wertvolle Fracht zu retten.

Duncan MacInnes war damals 15. Neben dem Whisky waren Fahrräder, Zigaretten, Obstkonserven, Bier, Leinen und kistenweise linke Schuhe an Bord, sagt er. Schuhe wurden damals nie paarweise verschifft, um Diebstahl zu vermeiden. MacInnes, der an Whisky nicht interessiert war, klaute ein elektrisches Bügeleisen, was töricht war, denn auf Eriskay gab es keinen Strom.

Die erwachsenen Inselbewohner waren sehr wohl am Whisky interessiert, und weil das Schiff sieben Monate auf dem Felsen lag, bis es weggeschleppt wurde, hatten sie genügend Zeit, sich um die hochprozentige Ladung zu kümmern. McCall, der örtliche Zollbeamte, wurde zwar misstrauisch, weil die Fischer, die sonst ständig im Wirtshaus hockten, sich nicht mehr blicken ließen, aber nachdem er das Schiffswrack mit ein paar Einheimischen inspiziert hatte, verließ er es recht fröhlich und pfiff ein paar Gassenhauer vor sich hin, erinnert sich MacInnes.

Die auswärtigen Zollbeamten waren nicht so leicht zu betäuben, aber als sie schließlich eintrafen, war das Schiff bis auf die Kisten mit den linken Schuhen bereits leer. So durchstöberten sie das Moor mit langen Stäben, aber weil die 130 Inselbewohner schlau genug waren, die Whiskykisten über das ganze Moor zu verteilen, war es so, als ob die Beamten mit einem Stock in einem Heuhaufen herumstocherten, um ein paar Nadeln zu finden.

Vor drei Jahren wurde eine Flasche aus der Beute versteigert. Es handelte sich um Ballantine’s, nicht eben die Perle unter den Whiskys, aber sie brachte dem Verkäufer 2.200 Pfund ein, so dass er sich nun ein paar anständige Flaschen kaufen kann.

Compton Mackenzie schrieb 1947 ein Buch über das Glück der Insulaner, und zwei Jahre später wurde die Geschichte verfilmt, allerdings auf der Nachbarinsel Barra, weil es dort Strom gab. Der Film hieß „Whisky Galore!“, was „reichlich Whisky“ bedeutet. Die Produktionsfirma „Whisky Galore Film Limited“ plant nun einen Remake des Films, diesmal in Farbe und mit internationaler Besetzung. Zu spät für Harald Juhnke. Und rechtzeitig zum Filmstart soll es auch den ersten Whisky aus Barra geben, der seit 2009 gebrannt wird.

Vor der Küste der Grafschaft Clare im Westen Irlands ist im 19. Jahrhundert ebenfalls ein Frachter gekentert. Die Bewohner hatten weniger Glück. Nachdem sie die Ladung bei Nacht an Land geschafft hatten, stellte sich heraus, dass es sich um Tausende von Akkordeons handelte. Seitdem spielt die halbe Grafschaft die Quetschkommode. Schlimmer wäre es gewesen, hätte das Schiff Vuvuzelas geladen.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

2 Kommentare

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  • SL
    Sam Lowry

    Wegen des anhaltenden Rhein-Tiefwassers lief hier mal ein holländischer Seelenverkäufer bei der Insel Niederwerth auf Grund, der seine Fracht über die Koblenzer Kneipen verteilen sollte. Sogleich machten sich die Einheimischen daran, die vorwiegend weiblichen Güter in die ausnahmsweise nicht überfluteten Keller zu transportieren und dort gut wegzuschließen.

    Detlef Plüsch jedoch soll den 1. Steward dazu überredet haben, den laut Überlieferung einzigen überlebenden Mann der Katastrophe, seine Porno-Sammlung anzuschauen.

    Folge des Ganzen ist ein bizarrer Mix auf dieser Insel aus holländischen und rheinländischen Worten.

     

    Ich möchte ja nicht sagen, dass die Holländerinnen hässliche Menschen sind, aber wenn sie anfangen zu sprechen, dann möchte man gleich den DJ bitten, die Anlage etwas lauter zu drehen.

    Daher habe ich zu Weihnachten bei Nacht und Nebel an der Insel mehrere alte Weltkriegs-Bomben deponiert und darauf gewartet, dass ein unachtsamer Schiffersmann diese und damit die ganze Insel zur Explosion bringen würde, um dieser grausamsten aller Sprachen endlich den Garaus zu machen. Misslungen, die Bomben wurden wegen weiter sinkenden Pegels gefunden und erfolgreich entschärft.

     

    Demnächst reise ich nach Spanien, wo öfter Strandgut, bestehend aus wasserdicht verpacktem weißem Pulver, gefunden wird. Kaffeeweißer vermute ich. Damit lassen sich sicher ein paar Euro machen. Ich trinke allerdings schwarz.

  • DS
    Detlef Sommer

    "Und rechtzeitig zum Filmstart soll es auch den ersten Whisky aus Barra geben, der seit 2009 gebrannt wird."

     

     

    Hallo Herr Sotscheck

     

    Da bin ich aber sehr gespannt! 2009 gab es auf Barra gar keine Destille! War selbst vor Ort, auch wussten die Einheimischen von nichts. Es wurden aber 2009 schon Fässer in einem Online Portal gehandelt. Bis heute soll es aber noch immer keine Destille geben. Ich werde im Juli wieder vor Ort sein und mich umschauen. Die einzige Destille der Äusseren Hebriden ist meines Wissens die Abhainn Dearg Distillery auf Lewis.

     

    Freundliche Grüsse

    Detlef Sommer