piwik no script img

Klimaschutz in BerlinSenat versumpft für die Umwelt

Ein Moor in Köpenick soll renaturiert werden - mit der Klimaschutzabgabe, die Senatsmitglieder für Flugreisen entrichten. Der Ausgleich hat jedoch enge Grenzen.

Tolle Moorlandschaft. Bild: dpa

Bis zu 8,50 Meter dick ist die Torfschicht der „Kleinen Pelzlaake“. Das Kesselmoor liegt im äußersten Südosten Berlins, in Köpenick, zwischen Müggel- und Dämeritzsee. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Pelzlaake immer mehr ausgetrocknet, Pflanzen haben sich angesiedelt, die in einem Moor nichts zu suchen haben. Nun wird die Kleine Pelzlaake renaturiert.

Die Idee: Ein funktionierendes Moor speichert CO2 aus der Atmosphäre in seiner wachsenden Torfschicht. So soll das klimaschädliche Gas ausgeglichen werden, das in die Luft gepustet wird, wenn Berlins Senatoren und Verwaltungsmitarbeiter mit dem Flugzeug auf Dienstreise gehen. Die Stiftung Naturschutz Berlin finanziert das Renaturierungsprojekt mit Geld aus der sogenannten Klimaschutzabgabe, die ihr der Senat seit 2009 überweist.

Weniger als vier Prozent

Der Haken am Moor-Projekt ist seine begrenzte Wirksamkeit: Weniger als vier Prozent des CO2-Ausstoßes durch dienstliche Flugreisen werden dadurch pro Jahr ausgeglichen. Der Senat will deshalb in Zukunft vielleicht auch auf klassische Kompensationsprojekte in Entwicklungsländern setzen. Das aktuelle Verfahren zeige „die Grenzen der Treibhausgaskompensation durch Berliner Projekte“ auf und stehe auf dem Prüfstand, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Umwelt der taz.

Die Berechnung der Klimaschutzabgabe erfolge bislang so, dass eine vollständige Kompensation der emittierten Treibhausgase in Entwicklungsländern möglich wäre, argumentiert die Umweltverwaltung – etwa durch die Finanzierung von Solarkochern in indischen Dörfern, die das Verfeuern von Holz überflüssig machen. In Deutschland sei es teurer, für denselben Effekt bedürfe es einer bis zu 20-mal so hohen Abgabe.

Die Stiftung Naturschutz Berlin hält es dagegen für unproblematisch, dass mit der Moor-Renaturierung eine auf den ersten Blick geringe Menge CO2 ausgeglichen wird. Es sei üblich, dass die Kompensation über einen längeren Zeitraum hinweg erfolge, in diesem Fall über rund 30 Jahre. Solange dauert es, bis allein die 1.300 Tonnen CO2 ausgeglichen werden, die 2011 auf dienstlichen Flugreisen ausgestoßen wurden. Pro Jahr sollen rund 45 Tonnen CO2 im Moor gebunden werden. Nach Ablauf der 30 Jahre gibt es dann eine positive Entlastung fürs Klima – vorausgesetzt, das Moor trocknet in der Zwischenzeit nicht wieder aus. Um in 30 Jahren eine vollständige CO2-Kompensation zu schaffen, müsste jedes Jahr also eine ähnlich große Moorfläche renaturiert werden. Der CO2-Ausstoß der Jahre 2009 und 2010 müsste zudem nachträglich kompensiert werden.

Justus Meißner, Naturschutzreferent bei der Stiftung Naturschutz, hält das für durchaus machbar. „Wir haben uns erst mal ein kleines Projekt ausgesucht“, sagt er, in Zukunft seien auch größere angedacht. Aus der Klimaschutzabgabe seien bislang 42.000 Euro in das Projekt „Kleine Pelzlaake“ geflossen. Da der Senat seit Anfang 2009 insgesamt knapp 116.000 Euro an die Stiftung überwiesen hat, steht jetzt schon ein Grundstock für das nächste Projekt zur Verfügung. Die Stiftung hält es für einen Vorteil, dass das Geld hier investiert wird und nicht in Entwicklungsländern. Hierzulande sei „der Bestand der Maßnahme gesichert“ und könne jederzeit überprüft werden.

Der umweltpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Michael Schäfer, sieht das anders. Wenn in Berlin Projekte finanziert würden, stelle sich immer die Frage, „ob das tatsächlich eine zusätzliche Leistung ist oder nicht ohnehin zu den Aufgaben des Senats gehört“. Sein Antrag im Umweltausschuss, die Klimaschutzabgabe zu erhöhen und zusätzliche Projekte zu finanzieren – zum Beispiel in Berlins Partnerstadt Windhoek – wurde aber abgelehnt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • J
    Jürgen

    "Der Senat will deshalb in Zukunft vielleicht auch auf klassische Kompensationsprojekte in Entwicklungsländern setzen."

     

    Der Senat sollte sich lieber dafür einsetzen, dass hier vor Ort, in Berlin eine "Kompensation" erfolgt. Wobei allein schon der Begriff Kompensation darauf hindeutet, dass es einzig um eine mathematische Aufrechnung geht.

     

    Das tatsächlich ein Ersatz der in Berlin jährlich gefällten Straßenbäume allein schon aus Gründen der Luftreinhaltung und der Verbesserung des Kleinklimas im Straßenraum von Bedeutung sind, scheint am Senat völlig vorbei zu gehen.

     

    Also, lieber Senat / liebe Senatsverwaltung, sieht zu, dass die Berliner Streaßen wieder grüner werden. Oder sorge dafür, dass die Grünflächenämter ausreichend Geld für eine vernünftige, sachgerechte Pflege der Grünflächen und Bäume haben.

  • H
    Hans

    Es ist zwar schön zu lesen, dass der Senat ein wenig Geld für Klima-/Umwelt-/Naturschutz ausgibt, aber ich schließe mich "klimaretter" an, dass der zunehmende Schwund an Bäumen ohne Wideraufforstung vor Ort sogar schwerwiegender ist.

     

    Zudem ist die Umwidmung von Naturdenkmälern in Gartendenkmäler in Berlin problematisch.

     

    Und erst recht die chronische Unterfinanzierung unserer Umweltämter.

  • K
    klimaretter

    Der Berliner Senat sollte sich zusammen mit Verkehrsminister Ramsauer endlich mal für die Sanierung des Berliner Landwehrkanals engagieren. Zwischen Waterloobrücke und Urbahnhafen in Kreuzberg sind die maroden Ufermauern an 6 Stellen einsturzgefährdet!

     

    Wenn da was einstürzt, gucken wieder alle dumm und dann erst werden sich die Medien wieder ersntshaft für das Thema interessieren.

     

    Außerdem sollten der Senat und die Bezirke auffhören mit der andauernden Naturzerstörung in der Stadt: Pro Jahr verliert Berlin 2000 Bäume, ohne dass sie ersetzt werden. Und das, wo Bäume klimaschädliches CO2 in Sauerstoff umwandeln.