Schauspieler Axel Prahl über Grips-Theater: „Ohne das Grips wäre Berlin armselig“
Axel Prahl hat lange am Berliner Grips-Theater gespielt. Ihn ärgert, dass Kinder keine so starke Lobby haben wie Opernfans. Deswegen sei das Grips unterfinanziert.
taz: Herr Prahl, Sie waren viele Jahre Schauspieler am Berliner Grips Theater. Wie finden Sie es, dass das Theater jetzt ums Überleben kämpfen muss?
Axel Prahl: Das finde ich ziemlich entsetzlich. Volker Ludwig musste solche Notlagen ja schon öfter erleben, früher hat der Senat ihm dann meistens mit Lottogeldern aus der Bredouille geholfen. Das Grips ist ein Kinder- und Jugendtheater, das heißt, man kann nur niedrige Eintrittsgelder von 4 oder 5 Euro verlangen. Durch die Geldnöte ist das Theater jetzt gezwungen, öfter, statt für Kinder, abends für ein erwachsenes Publikum zu spielen, einfach weil da die Einnahmen an der Kasse wesentlich höher sind.
Dafür hat Volker Ludwig das Grips Theater vor 43 Jahren nicht gegründet. Die Berliner Kulturpolitiker müssen sich überlegen, ob sie dieses wunderbare Theater so ausbluten lassen wollen. Das ist Klaus Wowereits Verantwortung: Will er, dass die Berliner Kinder weiter ins Grips Theater gehen können, oder will er das nicht?
Was muss Ihrer Meinung nach jetzt geschehen?
Man muss endlich zu einer ausreichenden Finanzierung kommen. Das Grips ist chronisch unterfinanziert. Es ist einfach unanständig, wie Berlin mit einem Mann wie Volker Ludwig umgeht. Er hat mit dem Grips Theatergeschichte geschrieben, und muss jetzt bei den Politikern um Geld betteln. Allein durch Mieterhöhungen sind die Kosten des Grips in den letzten Jahren um 50.000 Euro gestiegen. Natürlich müssen derzeit alle Theater um ihr Geld kämpfen und sich anstrengen, wirtschaftlich zu arbeiten. Ich kann auch verstehen, dass die Subventionen nicht endlos wachsen können.
Aber angesichts der Millionenetats der großen Opern und Staatstheater, sind die 150.000 Euro, die dem Grips fehlen, ein Witz. Es ist unfair, dass das Grips gegenüber den Staatstheatern und Opernhäusern so massiv benachteiligt wird. Das Grips spielt für Kinder, auch sehr viel für Kinder aus ärmeren Verhältnissen. Die haben offenbar in der Kulturpolitik keine so starke Lobby wie die Opernfans, und das ärgert mich.
Wie lange waren Sie am Grips Theater?
Von 1993 bis 1999, schöne Jahre. Ich glaube, die Lieblingsstücke, in denen ich mitgespielt habe, waren „Herz eines Boxers“ und „Bella, Boss und Bulli“, das waren beides ziemliche Kracher. Schon damals war es ein legendäres Haus, weltberühmt seit der „Linie 1“, so viel ich weiß nach Brechts „Dreigroschenoper“ eines der weltweit meistgespielten modernen deutschen Stücke, übersetzt in 32 Sprachen.
Das Grips Theater war das schönste und beste Theater, an dem ich je gearbeitet habe, muss ich ganz ehrlich sagen. Es gibt ein Mitbestimmungsrecht des Ensembles, was auch nicht überall selbstverständlich ist. Volker Ludwig, der Gründer und Kopf des Theaters, ist einfach ein wunderbarer Mensch mit einem sehr feinen Witz. Ich hoffe, dass er seinen Humor auch in dieser Krisensituation nicht verliert. Volker Ludwig ist ein Visionär, der eine neue, vitale, auch sehr humorvolle Form von Kinder- und Jugendtheater geschaffen hat. Er ist jetzt 74 und im Kopf jünger als viele 20-Jährige.
Was ich immer toll fand, war das Gefühl, dass man am Grips emanzipatorisches Kinder- und Jugendtheater macht, das mit der Gegenwart, mit der Wirklichkeit, in der wir leben, zu tun hat. Normalerweise wird am Stadttheater für Kinder einmal im Jahr ein Weihnachtsmärchen aufgeführt, das Grips interessiert sich das ganze Jahr für die Probleme von Kindern und Jugendlichen.
Die Frage, ob man da als Schauspieler etwas sinnvolles macht, war mit jeder Aufführung aufs Schönste beantwortet. Es würde mir wirklich das Herz brechen, wenn das Grips von der Politik so lieblos im Stich gelassen werden würde, wir es im Augenblick den Anschein hat. Andere Berliner Intendanten haben sich im alten Westberlin mit riesigen Abfindungen bereichert, Volker Ludwig war immer integer. Er hat es einfach nicht verdient, jetzt von der Politik so respektlos behandelt zu werden.
Früher demonstrierten Grips-Fans beim Theatertreffen für höhere Subventionen für das Grips. Wie können die Freunde des Grips Theaters jetzt für ihr Theater kämpfen?
Da ist guter Rat teuer. Es gab ja offenbar auch schon viele Leute, die dem Grips Geld spenden wollten, was aber offenbar rechtlich kompliziert ist. Vielleicht sollte Klaus Wowereit begreifen, was für eine Kostbarkeit dieses Theater ist. Ohne das Grips wäre Berlin nicht mehr arm, aber sexy, sondern nur noch armselig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS