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Berlins Polizeivizepräsidentin KoppersDie Reifeprüfung

Gelingt der Einsatz am 1. Mai, wird Margarete Koppers wohl Berlins erste Polizeipräsidentin. Den CDU-Innensenator Frank Henkel hat sie jedenfalls schon überzeugt.

Polizeivizepräsidentin Koppers: Eine Jahrhundertchance für Deutschlands größte Polizeibehörde. Bild: dpa

BERLIN taz | Er hält ihr die Tür auf, sie hilft ihm mit einem Stift aus. Sie tuscheln, kichern und lachen. Berlins Innensenator Frank Henkel und die Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers. Dabei sind die beiden von Hause aus sicher kein Traumpaar. Der CDU-Politiker hatte sich einst in der Opposition den Ruf eines Hardliners erarbeitet.

Die amtierende Polizeichefin hingegen gilt als ausgesprochen liberal. Dennoch hat man mittlerweile den Eindruck, die zwei haben zusammen richtig Spaß. Auf jeden Fall haben sie eins gemeinsam: ihre Feuerprobe am Dienstag, dem 1. Mai. Feuerprobe. Der Begriff wird gern bemüht, wenn einem Berliner Innensenator der erste Kreuzberger 1. Mai bevorsteht.

Seit 25 Jahren gibt es an dem Tag Krawalle. Dank der Deeskalationsstrategie, für die die im Herbst abgewählte rot-rote Landesregierung und die Polizei in den vergangenen Jahren gesorgt hatten, hielten sich die Ausschreitungen zuletzt in Grenzen. Doch dem im Herbst ins Amt gerückten konservativen Innensenator hat die autonome Szene einen feurigen Empfang angekündigt.

Und bei Koppers geht es um nichts weniger als um die Frage, ob aus der seit fast einem Jahr amtierenden Stellvertreterin nicht doch noch die erste echte Präsidentin von Deutschlands größter Polizeibehörde wird. Für die Berliner Polizei wäre es eine Jahrhundertchance. Bis Ende der 70er Jahre war die Behörde eine reine Männerdomäne. Heute liegt der Frauenanteil bei 22 Prozent.

Frau an der Spitze

Auf der Führungsebene direkt unter Koppers gibt es überhaupt keine Frau. Die Zeit ist reif für eine Frau an der Spitze. Wenn nicht in Berlin, wo dann? Selten war sich die Hauptstadtpresse in einer Frage so einig. „Mann, gebt dieser Frau den Sheriff-Stern“, brachte es der Boulevard auf den Punkt. Die 50-jährige Koppers ist eine Seiteneinsteigerin.

Der letzte Polizeipräsident Dieter Glietsch hatte die damalige Vizepräsidentin des Berliner Landgerichts 2010 zu seiner Stellvertreterin gemacht. Glietsch ist längst im Ruhestand. Aufgrund von Fehlern beim Auswahlverfahren konnte der Chefpostens vom früheren Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nicht mehr besetzt werden. Henkel hat das Amt nun erneut ausgeschrieben.

Koppers hat kein Parteibuch, aber nach der guten Figur, die sie als Interimspräsidentin abgibt, wird es für Henkel schwer sein, an dieser Frau vorbeizukommen. Dabei macht Koppers keinen Hehl daraus, dass sie eine Anhängerin der Linie von Dieter Glietsch ist. Ihr Führungsstil unterscheidet sich von dem ihres Vorgängers aber fundamental.

Sie gilt als kommunikativ, offen, Menschen zugewandt. Sie ist als Arbeitstier verschrien, ist schlagfertig und versteht es, ihren Charme spielen zu lassen. Ihre Entscheidungen schmecken in der Behörde nicht jedem. Auch der Politik hat sie schon ungeschminkt die Meinung gesagt. Als SPD und CDU im Herbst den Koalitionsvertrag aushandelten, forderte die Union, die gerade erst eingeführte Kennzeichnungspflicht für Berliner Polizisten zu kippen.

Weichgespülter Henkel

Koppers verteidigte diese Errungenschaft in einem taz-Interview vehement. Die Kennzeichnungspflicht blieb. Dafür hat Koppers jetzt einen neuen Chef: Frank Henkel. Dass die beiden dennoch harmonieren, liegt auch am Wandel des CDU-Politikers.

Henkel gibt sich heute ausgesprochen weichgespült. Unverblümt bekennt er sich zu der Deeskalationsstrategie seines Vorgängers Körting. Der einzige Unterschied: Henkel nennt sie „Doppelstrategie“. In die Einsatzplanung selbst mischt er sich nicht ein und überlässt auch hier Koppers das Wort. Doppelstrategie, erklärt diese, heißt: kommunizieren, solange es friedlich ist. Kommt es aber zu Gewaltaktionen, werden die Eingreiftrupps in Gang gesetzt.

Es gibt viele Faktoren, von denen der Verlauf des 1. Mais abhängt. Als Messlatte gelten zwei Zahlen: Wie viele Beamte werden verletzt? Wie viele Menschen festgenommen? Am 1. Mai 1987 – dem Ausgangspunkt des Rituals – waren nur 400 Beamte im Einsatz, aber 100 wurden verletzt. Auch am 1. Mai 2011, der als einer der erfolgreichsten Einsätze gilt, wurden 74 Polizisten verletzt. Im Einsatz aber waren 7.400.

Die Polizeivizepräsidentin wird am Dienstag auf der Straße unterwegs sein, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Kommt es zu heftigeren Ausschreitungen als in den Vorjahren, werden einflussreiche CDU-Kreise versuchen, sie durch einen Mann mit CDU-Parteibuch zu ersetzen. Selbst wenn die Polizei objektiv nichts falsch gemacht hat. So tickt Politik nun mal.

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4 Kommentare

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  • H
    Harald

    Ich wundere mich nicht über die vorherigen Kommentare, gilt doch der Status "Frau" heute als Karrierezoom.

    Das ist bekannt und politisch gewollt. So erreichen jetzt Frauen die Spitzenpositionen, meistens Frauen ohne Kinder, die sich erbarmungslos und mit drei Ellbogen in der Männerwelt durchgesetzt und tüchtig nach unten getreten haben. Es spielt keine Rolle mehr, ob sie über soziale Kompetenz und Empathievermögen verfügen, nein, sie kommen nach oben, weil sie Frau sind. Das reicht heute.

    Bei den Männern reichte das nicht.

  • B
    Beate

    Oh man, was für ein schlapper Kommentar - unabhängig von der Leistung gilt für die taz offenbar nur noch ein einziges Kriterium als ausschlaggebend für beruflichen Aufstieg - wenn ich in Berlin Polizist wäre, vielleich schon seit Jahrzehnten dabei und schon lange Jahre im Einsatz auf der Straße, käme ich mir sehr verarscht vor, jetzt so eine offensichtliche Quotenfrau vorgesetzt zu bekommen, die wohl noch nie einen Finger krumm gemacht hat. Und die taz propagiert das auch noch - sehr sehr seltsam, wie sich diese abstruse Quoten-Debatte entwickelt. Männer werden über Jahre hinaus in Deutschland keine beruflichen Chancen mehr haben. In der Schule hat man die Jungs schon durch offene Benachteiligung von den Gymnasien und Universitäten verbannt - als nächstes folgt das Berufsleben. Und dieser krasse Sexismus wird vom Staat auch noch gefördert.

  • H
    Helga

    Peinlich, wie die taz hier offen sexistisch eine Fra auf den Chefposten hieven will, unabhängig von Ihrer Qualifikation und der gezeigten Leistung - im letzten Abschnitt hat die taz ja auch schon die Schuldigen im Falle einen katastrophalen Einsatzes ausgemacht: Männer mit CDU-Parteibuch. Offenbar propagiert die taz hier den leistungslosen Aufstieg, nur weil die Dame zufällig das aktuell angesagte Geschlecht. Peinlich, solch offenen Sexismus in einer früher einmal linken Zeitung wie der taz zu lesen.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Was für Quotenfrauenpropaganda! Ein Mann als Seiteneinsteiger wäre niemals direkt Stellvertreter des Polizeipräsidenten geworden; von Männern erwartet man, dass sie sich hocharbeiten und gibt ihnen deshalb erst nach Jahrzehnten eine Chance auf so einen Posten. Und nun werden die Männer, die in den 70er Jahren eingestellt wurden und Jahrzehnte gearbeitet haben, darum betrogen, den neuen Polizeipräsidenten zu stellen, nur um noch mehr Führungspositionen mit Frauen, die sie nicht verdienen, zu besetzen.

    Und dass bei den Krawallen die Zerstörungen an Autos usw. nicht als Misserfolgskriterium verwendet werden, ist ja wohl die Höhe. Typisch Berlin.