Die Wahrheit: Spenden vom Diktator

Neues aus Neuseeland: Das letzte Mal, als ich Sacha Baron Cohen sah, war er Brüno und ich im „Paradiso“.

Das letzte Mal, als ich Sacha Baron Cohen sah, war er Brüno und ich im „Paradiso“. Das „Paradiso“ ist ein winziges Kino im alternativ angehauchten Bergdorf Wanaka, tief in den Südalpen am See gelegen. Dort kann man auf alten Plüschsofas und in einem ausrangierten Morris Minor sitzen.

Es gibt mitten in der Vorstellung eine Pause, dazu frische warme Kekse. Fehlt nur noch der kreisende Joint. „So sollte jedes Kino sein“, schwärmte sogar der britische Guardian. Dem kann man nicht widersprechen.

So viel zu Brüno-Borat, an den ich also nur beste Erinnerungen habe, auch ohne Joint. Jetzt steht uns ein Wiedersehen bevor: Heute läuft „Der Diktator“ in Neuseeland an. Leider dauert die Fahrt bis zum „Paradiso“ in Wanaka mindestens fünf Stunden. In Christchurch bleibt einem nur die schreckliche Westfiel Mall, ein riesiger nerv- und seelentötender Einkaufskomplex mit Plärrmusik und Plastikdeko.

Seit all den schweren Erdbeben möchte man sich in solch einem Betonmonster nicht unbedingt länger als möglich aufhalten, und vorher wollte man es aus ästhetischen Gründen eigentlich auch nicht. Aber im dünnen Freizeitangebot der Unglücksstadt ist selbst ein Mall-Besuch zum kulturellen Highlight geworden.

In seinem neuen Film spielt Cohen den bärtigen „Admiral General Aladeen“ – einen Nahost-Clown in Despotenkluft, der im nordafrikanischen Fantasiestaat Wadiya herrscht und Atomwaffen entwickelt. In einer Grußbotschaft, die jedem Al-Qaida-Kommando alle Ehre machen würde, stellte der Hauptdarsteller sich vor dem Filmstart per Videoclip den neuseeländischen Zuschauern vor, flankiert von weiblichen Milizen im Minirock: „Hallo, neuseeländische Teufel!“ Sein in bester Hisbollah-Manier hervorgestoßenes Pseudoarabisch wird in Untertiteln übersetzt.

So erfahren wir, dass der General sich früher oft mit unserer bärbeißigen Expremierministerin Helen Clark getroffen hat. „Wir pflegten eine wunderbare Beziehung, basierend auf gegenseitigem Vertrauen und Respekt, wie es nur zwei starken männlichen Führern möglich ist“. Ha! Der alte Testosteronwitz – Cohen kennt sich in den abgelegenen Winkeln der Weltpolitik aus. Ob er auch weiß, dass Wellington damals „Helengrad“ hieß?

„Heute bitte ich euch, innezuhalten“, poltert Führer Aladeen weiter. „Stellt euer Saufen ein, hört auf, Kiwis zu killen, um daraus leckere Früchte zu machen, und schafft diese dummen Gesetze ab, die den besten Rohstoff verbieten – Atomkraft.“ Heute sollen wir alle nur ins Kino gehen und uns „The Dictator“ anschauen. „Alle Einnahmen werden in den Spendenfundus für das Erdbeben in Christchurch gehen und werden garantiert nicht verwendet, um mir einen neuen Palast in Wadiya zu bauen“, verspricht er.

Helen Clarks holde Weiblichkeit verhöhnen und uns alle Schluckspechte nennen? Das geht ja noch gerade. Zum Glück hat er keine sexuellen Übergriffe auf Schafe erwähnt. Aber über die größte Katastrophe im Lande spotten? Alles Satire, betonte der Filmverleih. Doch Christchurch fordert: Plündert die Kriegskasse des Diktators!

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Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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