Berliner Szenen: Die Urbanstraße

Berlin ist wild und gefährlich. Und unsere AutorInnen sind immer mittendrin. Ihre schrecklichsten, schönsten und absurdesten Momente in der Großstadt erzählen sie hier.

Es war ein schöner Abend. Wir hatten in der Küche gesessen, geredet und zwischendurch Brot mit Salat gegessen. Nun war es fast eins. Ich verabschiedete mich, ging die Treppen herunter, schloss das Fahrradschloss auf. Zwischen Hinterrad und Gepäckträger waren Zweige mit grünen Blättern eingeklemmt und gaben dem Fahrrad etwas Frühlingshaftes. Weil ich keine Lust hatte zu fahren, schob ich das Rad Richtung Hermannplatz und dachte an den superpositiven Text, den G. vor einem Jahr über die Sonnenallee geschrieben hatte: „Die Sonnenallee schläft nie“, und dass die Urbanstraße in der Nacht am schönsten ist, auch wenn sie öfter schläft.

Mehr als tausendmal werde ich sie zu jeder Tageszeit durchschritten und durchfahren haben. Auf der Strecke liegen Wohnungen, in denen man mal wohnte, zu Besuch war, die man sich mal angeguckt hatte oder auch nur hatte angucken wollen. Kneipen, in die man immer neugierig schaut, ohne sie je zu betreten wie das „Ficken 3000“ oder das „Bierhaus Urban“. Automatencasinos mit ihrem rot-gelben Licht, der Sexladen mit seinem anachronistischen Charme. Es macht Spaß, sein Rad nachts durch die Urbanstraße zu schieben. Vor dem „Ficken 3000“ stand jemand und rauchte. Paar Meter weiter schlief einer in seinem Schlafsack auf dem Boden. Am Urbankrankenhaus ging jemand ein paar Meter vor mir. Ich verlangsamte meinen Schritt erst, damit sich der Spaziergänger nicht verfolgt fühlt, stieg dann doch aufs Fahrrad, auch weil der Rest der Strecke bis zum Blücherplatz eher langweilig ist.

Viele Jahre bin ich durch die Urban- Richtung Körtestraße zum Flippern gegangen. Inzwischen spiel ich ich nur noch Playstation. Mit dem gleichen Automaten, mit dem ich früher in echt immer gespielt hatte. Manchmal bin ich entsetzt darüber, wie gut die Simulation ist.

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