Nahverkehr I: Bis in den letzten Winkel

Künftig werden mehr als 60 U-Bahnhöfe der BVG mit hoch auflösenden Kameras überwacht. Ob die teuren Geräte die Sicherheit erhöhen, ist jedoch umstritten.

In 42 Bahnhöfen werden neue Kameras installiert. Bild: dpa

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dehnen ihre Videoüberwachung aus. In 42 Bahnhöfen werden neue Kameras installiert, die flächendeckend nahezu jeden Winkel ausleuchten, hochauflösende Bilder speichern und 2.000 Euro pro Stück kosten. Bisher gibt es solche Kameras bereits an 22 Bahnhöfen, heißt es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck.

Im restlichen U-Bahn-Netz bleibt es vorerst bei den älteren Überwachungssystemen. Es gibt dort nur wenige Kameras pro Bahnhof, sie sind nicht schwenk- und zoombar, auf den Bildern sind Gesichter kaum zu erkennen. Der Senat investiert noch in diesem Jahr 1,2 Millionen Euro in die neue Videotechnik.

Neukölln und Kreuzberg

Bei der Entscheidung, welche Bahnhöfe aufgerüstet werden, berücksichtigt die BVG „das soziale Umfeld/Standort, die erfassten Vorkommnisse und Straftaten in Anbetracht der Anzahl und Intensität sowie die tägliche durchschnittliche Anzahl von Fahrgästen“. Auf der Liste stehen viele Bahnhöfe der U 7 und U 8 in Neukölln und Kreuzberg, aber zum Beispiel auch die Haltestellen Adenauerplatz in Wilmersdorf oder Krumme Lanke in Zehlendorf.

Die Kameraüberwachung ist nach Ansicht ihrer Befürworter geeignet, die Sicherheit für die Fahrgäste zu erhöhen. Die große Koalition hatte erst in dieser Legislaturperiode die gesetzlich erlaubte Speicherdauer erhöht: Die Bilder werden von der BVG nun nicht mehr nach 24 Stunden gelöscht, sondern erst nach 48 Stunden. Der CDU-Abgeordnete Burkhard Dregger sagte im Parlament: „Viele Berlinerinnen und Berliner sorgen sich um ihre Sicherheit in unseren U-Bahnhöfen. Die Furcht ist nicht nur bei den Schwachen groß – bei Frauen, Behinderten, alten Menschen und Eltern in Sorge um ihre Kinder. Nein, auch Männer sind regelmäßig Opfer von Übergriffen geworden.“

Der Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux stellt das Sicherheitsargument infrage: „Es gibt bisher keine Evaluation, die zeigt, dass durch die Überwachung die Kriminalität sinkt“. Gewalt im Affekt werde dadurch nicht verhindert. Und andere Kriminalität „wird einfach nur in Bereiche verdrängt, die nicht von Kameras überwacht werden“, so Lux. Kameras könnten also zwar im Einzelfall helfen, Straftäter besser ausfindig zu machen, aber keine Taten verhindern. Dazu brauche es mehr Personal auf den Bahnhöfen und in den Fahrzeugen, forderte Lux.

Taschendiebe und Dealer

Anfang des Jahres hatte die BVG zudem Zahlen vorgelegt, wonach sie in 50 Prozent der Straßenbahnen Kameras installiert hat, in 81 Prozent der Busse und in allen U-Bahnen. Mit den Videobildern aus Bahnen und von Bahnsteigen verfolgt die Polizei hauptsächlich Taschendiebe, Drogenhändler, Räuber und Schläger. Wenn jemand eine Straftat bei der Polizei anzeigt, fragt diese bei der BVG an, ob es Bilder dazu gibt. In den letzten drei Monaten des Jahres 2012 geschah das 1.200-mal. In 956 Fällen gab es Videomaterial bei der BVG. In 49 Fällen ermittelte die Polizei einen Tatverdächtigen, nachdem sie die Bilder angefordert hatte.

„Ob diese Tatverdächtigen aufgrund der Videoauswertung oder auf anderem Wege ermittelt wurden, lässt sich nicht feststellen“, schreibt CDU-Innensenator Frank Henkel in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage. Zur Frage, gegen wie viele Straftäter außerdem Haftbefehl erlassen wurde, gibt es nach Henkels Angaben „keine statistische Erfassung“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.