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Ärger in der Freien SzeneKreative fordern Kultur-Soli

Die Freie Szene geht auf die Straße: Vom Senat fordert sie zusätzliche 18 Millionen Euro im Jahr. Grüne: Die großen Häuser sollen etwas abgeben.

Tanzen ist schön, bringt aber nicht viel Geld. Bild: AP

Die Künstlerinnen und Künstler aus der Freien Szene in Berlin wollen sich nicht mehr nur ärgern über die aus ihrer Sicht desaströse Unterfinanzierung der Kultur im kommenden Doppelhaushalt 2014/2015. Seit dem vergangenen Wochenende gehen sie dafür mit der Kampagne unter dem Motto „Freie Szene stärken“ auf die Straße. Zudem sind im Internet Websites eingerichtet worden, darunter ein „Black Screen“, auf dem sich weitere Kulturinstitutionen mit der Kampagne solidarisieren können. Die Kunstaktionen und Diskussionsrunden sollen bis zum 28. September in der gesamten Stadt stattfinden. Den Auftakt der Protestreihe bildete jetzt die „Feuerwehraktion“ – ein roter Spritzenwagen, „Freespace Berlin Mobile“ genannt – mit vielen Künstlern vor der Philharmonie.

Christophe Knoch, Sprecher der „Koalition der Freien Szene“, welche die Kampagne organisiert, rechnet nicht nur mit vielen Teilnehmern bei den Aktionen. Angesichts der „dramatischen finanziellen Lage der unabhängigen Künstler und Gruppen“ sei er sicher, dass die Kampagne auch breite Unterstützung erfahre. „Rund 70 Kultureinrichtungen haben sich bereits mit dem Aktionsbündnis solidarisiert“, sagte Knoch zur taz; darunter die Kunstwerke, das Hebbel am Ufer (HAU), zahlreiche Galerien, das Radialsystem und die Tanzfabrik Uferstudios.

Die „Koalition der Freien Szene“ – ein großer Verbund aus Künstlern und Institutionen der Bildenden Kunst, der Theater, vom Tanz und aus der Musik – hatte sich 2012 gegründet, um auf Fehlentwicklungen im Berliner Kulturhaushalt aufmerksam zu machen. Dort stagnieren die Mittel für die Freie Szene seit Jahren bei 10 Millionen Euro. Dies „gefährde die Substanz des viel beschworenen und gefeierten kreativen Berlin“, so ihr Vorwurf.

Was stimmt: Von den rund 40.000 freien KünstlerInnen in Berlin lebt ein Großteil am Rande des Existenzminimums, Gruppen und Compagnies kommen – derzeit wegen massiver Mietsteigerungen – mit den Zuwendungen nicht mehr aus.

Mehr Geld erhält die Freie Szene auch im vorgesehenen Kultur-Doppelhaushalt nicht. Der Etat, der 2014 rund 377 Millionen Euro beinhaltet und 2015 auf 396 Millionen steigt, begünstigt weiter zu 95 Prozent die großen Kulturinstitutionen, darunter die drei Opernhäuser, die großen Theater und Museen.

Nach Ansicht von Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) sei es zwar bedauerlich, dass die Freie Szene ab 2014 nicht weitere Zuschüsse erhalte. Die Erhöhung des Etats auf 396 Millionen bis 2015 bedeute „angesichts der schwierigen Situation der öffentlichen Haushalte aber einen großen Erfolg für die Kultur in Berlin“, so Schmitz.

Für Knoch, Gesa Rindermann, Sprecherin der „Sophiensaele“, und Sabine Bangert, grüne Kulturpolitikerin, sind die von Schmitz und Klaus Wowereit gefeierten „Etatsteigerungen“ aber nur Summen, die hauptsächlich für die Tarifanpassungen für die Beschäftigten der Opernbühnen in den Haushalt eingestellt wurden. Allein 14,5 Millionen Euro sind dafür bis 2015 reserviert. Während die Leuchttürme weiterhin gestärkt würden, „geht die Freie Szene im kommenden Haushalt komplett leer aus“, sagte Bangert zur taz. Das sei „desaströs“ für deren Arbeit und offenbare zugleich eine „konzeptlose Kulturpolitik“. Bangert forderte stattdessen vom Senat ein Programm für die freien Künstler und eine jährliche Erhöhung der Mittel für diese um 5 Millionen Euro. Außerdem sollten die großen Institutionen 2 Prozent ihrer Mittel „für Kooperationen mit der Freien Szene binden“.

Knoch hofft noch auf mögliche Änderungen des Etatentwurfs. Bis zum Ende der Kampagne würden „Einzelgespräche“ mit allen Haushaltspolitikern geführt. Das Ziel: 18 Millionen Euro plus jährlich.

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17 Kommentare

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  • An alle die hier wahllos in der Gegend herum wüten Ein Auschnitt aus einer Rede von Richard v. Weizsäcker: "Kultur kostet Geld. Sie kostet Geld vor allem auch deshalb, weil der Zugang zu ihr nicht in erster Linie durch einen privat gefüllten Geldbeutel bestimmt sein darf. Vor ein paar Jahren, eben hier in Berlin, habe ich bei einer Ansprache vor dem Deutschen Bühnenverein ausgeführt, dass Kultur nicht etwas sein darf, was die öffentlichen Hände nach Belieben betreiben oder auch lassen dürfen. Substanziell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe der öffentlichen Haushalte zu sein als zum Beispiel der Straßenbau, die öffentliche Sicherheit oder die Finanzierung der Gehälter im öffentlichen Dienst. Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich zumeist "Subventionen" nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subventionen zu bezeichnen. Der Ausdruck lenkt uns in die falsche Richtung. Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere eigentliche innere Überlebensfähigkeit sichert.

    (...)"

  • R
    Rumkugeln

    Wer ist in Berlin unbeliebt? Die Tagediebe, die sich ihr Hobby als Vollzeitstelle vom Rest alimentieren lassen wollen?

    Sind das nicht oftmals ehemalige Kleinstadtbewohner, welche meinen, 'Du in Berlin, ja, da mache ich voll Kultur, ja, da gibts Mittel, ja, da kann ich mich ausleben, ja.'

    und stimmt, diese Landeier sind hier echt unbeliebt.

  • S
    StefanTh

    Also wenn ich die Kommentare der Kleinstadtspiesser hier lese, dann wird mir wirklich übel, Kein Wunder, dass diese Leute in Berlin so unbeliebt sind.

  • G
    gast

    Sasha Waltz und ihre Lobbytruppe von Steuergeldverprassern möchten bitte endlich die Stadt verlassen und nicht ständig noch mehr Geld fordern!

  • K
    Kartoffelkäfer

    Ich muß für mein Geld jeden Tag arbeiten gehen und leiste damit einen unschätzbaren Beitrag für diese Gesellschaft, daher fordere ich hier und jetzt den Arbeitersoli! Ausserdem habe ich zwei kleine, verfressene Katzen, daher fordere zusätzlich den Katzenhaltersoli!Einfach mal nach Kohle vom Staat rufen, wie bequem...

    • P
      Pieps
      @Kartoffelkäfer:

      Ganz Recht! ich nenne acht Kanarienvögel mein eigen und halte sie sehr gut und artgerecht. Wenn ich eine kleine Alimentierung zur Finanzierung meiner XXL-Voliere bekommen könnte, wäre ich glücklich.

      Ich könnte die Kanarien unter dem Begriff "Lebende Skuplpturen" laufen lassen bei der Antragstellung. Warum nicht? Es gab doch auch mal so eine "Künstlerin", die Hühner in einem Bus durch die Gegend fahren ließ. Die ist ganz groß rausgekommen damit, bei den Hühnern bin ich mir nicht so sicher.- Please, habt's mal an Euro übrig?

  • B
    boogibaer

    Bezahlbare Mieten für Atelies und Wohnungen würden auch helfen. Und zwar nicht nur den Künstlern.

  • R
    rumkugeln

    wie jetzt, die wollen ordentlich geld abgreifen, damit sie noch mehr nerven können, anstatt auch mal zu arbeiten?

    immer diese luxusprobleme...

  • K
    Kimme

    ICh möchte gern mein Geld mit Fußballspielen verdienen. Talentmäßig reicht es bei mir zwar nur für die Verbandsliga aber das ist mir egal, deshalb fordere ich den Sportsoli.

    Was für eine vermessene Forderung. Sein Geld mit seinem Hobby, in diesem Fall mit Kunst, verdienen zu können ist ein Privileg, kein Recht. Zudem gibt es in Berlin bereits jetzt schon zuviele untalentierte Akteure, die sich selbst Künstler nennen.

  • Grundsätzlich stimmt der Artikel. Allerdings in einem nicht: die Koalition der Freie Szene hat sich stets ausdrücklich dagegen gewandt, den einen zu nehmen um den anderen zu geben. Wir leben in einer Kulturlandschaft. Allerdings haben wir uns auch für eine Beseitigung des Ungleichgewichts im Kulturhaushalt ausgesprochen. Mehr als 95% geht in die institutionalisiert geförderten Einrichtungen. Über 95% der Berliner Künstler leben von den verbelibenden 5%. Das muss geändert werden, wenn Berlin seine weltweit einzigartige Kunstproduktion behalten will. Dafür sprechen wir. Nicht für eine Kürzung oder gar Schließung institutionell geförderter Einrichtungen!

  • H
    hrm-räusper

    Wenn es sich bei der 'Freien' Szene wenigstens um politische Kunst handelte, aber so?

    Klar, die Hand aufhalten, dsa geht, aber wenn's um das Einmischen in die Gesellschaft geht, dann wird einem von der 'Freien' Szene gar nichts geboten.

    Hauptsache Tanz, egal, ob vor den Konservativen getanzt wird oder vor den Grünen; man (die 'Freie' Szene) ist ja sooooo 'neutral' :-(

  • K
    Katholisch

    Diese sogenannten Künstler der freien Szene wollen den etablierten Theatern, Museen und Konzertstätten das Geld abgraben? Geht gar nicht! Was ist eine Punkband gegen Mozart? ganz einfach: Mozart wird man noch in hundert Jahren hören, derweil die Punkband schon lange vom Erdboden verschwunden ist.

    • CO
      Clash of Kulturkürzungen
      @Katholisch:

      The Clash sind mittlerweile über 35 Jahre her, und gerstern erst wieder gehört.

      • K
        Katholisch
        @Clash of Kulturkürzungen:

        Was sind 35 Jahre gegen Jahrhunderte? Wenn die CD im Eimer ist, ist The Clash auch tot. Und für CDs benötigt man keinen Kultursoli.

        Ess geht hier doch eher um die Möglichkeit der Förderung einer alternativen Kultur,die meist kurzlebig ist. Die Theater, Museen und Konzerthäuser sind auch nicht mit Reichtümern gesegnet; viele Häuser oder einzeln Sparten müssen schließen. Man sollte vielleicht Rot-Grün endlich mal klar machen, dass Kultur in ihrer Gesamtheit viel höhere Fördermittel benötigt. Demnächst wird auch noch die Förderung von Eraltungsmaßnahmen historischer Gebäude gestrichen.

        Rot-Grün hat wohl zu viel Geld an externe Gutachten verschwendet,weil sich die lieben Parteimitlieder außerstande sehen,ihre Arbeit, für die sie bezahlt werden, selbst zu tun.

        Grrrrrr!

  • ...nicht nur Künstler in Berlin leben "am Rande des Existenzminimums".

  • G1
    Gast 1

    Sonst noch was. Das arbeitende Volk zahlt schon viel zu viel Soli, den Ostsoli, der nicht mal mehr rechtens ist.

     

    Wenn man sich so anschaut was so angeboten wird, was sich dann auch noch Kultur nennen möchte, faßt man sich an den Kopf. Vor allem fragt man sich, wofür sich Leute da begeistern können, und ganz nebenbei auch noch ein Schweinegeld ausgeben. Ach ja die teuren Eintrittspreise sollten genug sein, wem so was gefällt, soll ordentlich bezahlen, gibt doch jedes Jahr mehr Millionäre in Deutschland.

    • Q
      Qualle
      @Gast 1:

      Ich plädiere für den Nord-Soli, damit am Meer meer Campingplätze gebaut werden können.