Demo für Kinderschutz: Keine Zeit für vorbeugende Hilfen

Land unter in den Jugendämtern: Mitarbeiter demonstrieren für mehr Personal, um ihren Aufgaben nachkommen zu können.

Wen kümmert's? In Berlin fehlt Personal für den Kinderschutz. Bild: dpa

150 MitarbeiterInnen der Jugendämter kamen am Freitag zu spät zur Arbeit. „Wir sind ohnehin kaum noch arbeitsfähig“, sagte eine derjenigen, die stattdessen in aller Frühe vor der Senatsbildungsverwaltung demonstrierten. „SOS“ und „Land unter“ stand auf ihren Transparenten. Sie fordern mehr Personal für einen der sensibelsten Bereiche in der Arbeit der Bezirke: den Schutz bedrohter Kinder und Jugendlicher. Die meisten der MitarbeiterInnen der Regionalen Sozialpädagogischen Dienste (RSD) betreuten doppelt so viele Fälle, wie sie eigentlich bewältigen könnten.

Die RSD beraten Familien bei der Erziehung und nehmen notfalls Kinder in Obhut. Sie sind eigentlich auch für Familien zuständig, in denen noch keine akute Gefährdung besteht. Aber das falle im Moment hinten runter, so eine Mitarbeiterin. Bis zu 120 Fälle betreue jeder einzelne der Sozialpädagogen und Sozialarbeiter des RSD. Schuld sei der hohe Krankenstand unter den überforderten MitarbeiterInnen und das vom Abgeordnetenhaus beschlossene Personalabbaukonzept. Besonders schlimm sei die Lage in Mitte, Tempelhof-Schöneberg, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Pankow und Lichtenberg. In einigen der Bezirke hatte man schon vor zwei Wochen weiße Fahnen aus den Fenstern gehängt.

Die Demonstrierenden forderten nun eine Fallzahlbegrenzung; 40 Familien pro Vollzeitstelle, Vertretungsreserven für erkrankte Mitarbeiter und höhere Gehälter. „Wir tragen höchste Verantwortung und gehören zu den schlechtestbezahlten Mitarbeitern im Jugendamt“, sagte eine der Mitarbeiterinnen der taz.

Unterstützung ja, Geld nein

Breite Unterstützung für die Forderungen der RSD kam von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Auch die Jugendstadträte mehrerer Bezirke solidarisierten sich im Rahmen der Kundgebung mit den Jugendamtsmitarbeitern. Vonseiten der Senatsverwaltung sprach man sich ebenfalls für eine Fallzahlbegrenzung und Mindestpersonalausstattung der Jugendämter aus; dies sei aber in der Vergangenheit an der Zustimmung der Bezirksbürgermeister gescheitert.

Monika Herrmann, grüne Bezirksbürgermeisterin in Friedrichshain-Kreuzberg und selbst zuständig für den Jugendbereich, sagte darauf zur taz: „Man kann nicht einem Bereich eine Sonderstellung geben. Die Gesundheitsämter sind genauso schlecht besetzt und auch für den Kinderschutz zuständig.“ Herrmann sieht das Land Berlin in der Pflicht. Die Mittel müssten aufgabenbezogen berechnet werden und dürften nicht einfach pauschal gekürzt werden. Dass die Proteste der JugendamtsmitarbeiterInnen an der desolaten Lage etwas ändern, bezweifelt Herrmann. Es sei schließlich nicht der erste Hilferuf.

Die MitarbeiterInnen, die am Freitag vor der Senatsverwaltung demonstrierten, wollen jedenfalls dafür sorgen, dass es nicht der letzte bleibt: Schon am Dienstag wollen sie wieder weiße Fahnen der Kapitulation aus den Fenstern der Jugendämter hängen.

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