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Archiv-Artikel

„Nur eine Gelbe Karte

REAKTIONEN Justizstaatssekretär Max Stadler atmet auf. Bundesanwalt will Bewusstseinswandel

KARLSRUHE taz | Justizstaatssekretär Max Stadler (FDP) freute sich nach der Urteilsverkündung, als hätte Karlsruhe ein schwarz-gelbes Gesetz gebilligt. „Das Gesetz wurde in vollem Umfang bestätigt“, strahlte der liberale Rechtspolitiker. Das Gesetz war 2009 noch unter der großen Koalition mit Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) beschlossen worden.

Die Bundesregierung werde jetzt prüfen, ob sie die Vorgaben des Verfassungsgerichts ausdrücklich in die Strafprozessordnung schreiben will. Der Gesetzgeber werde jedenfalls „nicht untätig bleiben“. „Das war eine Gelbe Karte, aber noch keine Rote“, sagte Stadler. Die Karlsruher Kritik an der Richterschaft fand Stadler berechtigt.

Generalbundesanwalt Harald Range sieht nun vor allem die Staatsanwaltschaften in der Pflicht, für rechtsstaatlich saubere Urteilsabsprachen zu sorgen. Im Mai werde er mit seinen Kollegen in den Ländern beraten, wie ein Bewusstseinswandel bei den Anklägern, die ja auch an den Deals beteiligt sind, herbeigeführt werden kann.

Werner Leitner vom Deutschen Anwaltsverein schlug vor, dass Richter, die die gesetzlichen Regeln der Urteilsabsprachen nicht einhalten, wegen Rechtsbeugung bestraft werden sollten.

Richter: mehr Personal

Christoph Frank, der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, glaubt, dass die Richterschaft die Regeln über die Verständigung im Strafprozess im Wesentlichen korrekt anwende. Es gebe nur einzelne „Ausreißer“. Das vom Bundesverfassungsgericht in Auftrag gegebene Gutachten, das zu anderen Schlüssen kam, sei nicht repräsentativ, weil es sich auf Nordrhein-Westfalen beziehe, wo die Personalausstattung überdurchschnittlich schlecht sei.

Der Richterfunktionär forderte die Einstellung von mehr Richtern und Staatsanwälten, dann müsse auch weniger gedealt werden. Außerdem müsse die Bundesregierung endlich das Prozessrecht reformieren. Es müsse verhindert werden, dass Anwälte endlos aussichtslose Beweisanträge stellen können, um damit ein Verfahren künstlich in die Länge zu ziehen.

CHRISTIAN RATH