Bremer Überraschungssieg gegen Bayern-Verfolger: Immer wieder mittwochs

Nach dem überraschenden 1:0-Sieg über Bayer Leverkusen lobt Bremens Trainer Robin Dutt die Mentalität seiner Kicker: Das Team kann Rückschläge wegstecken.

Große Erleichterung: Bremens Trainer Robin Dutt feiert nach Spielende. Bild: dpa

BREMEN taz | Die Fans in der Bremer Ost-Kurve hatten am Samstag ein besonderes Privileg. Unter ihnen stand Manuel Garcia, der Zwillingsbruder des neuen Bremer Publikumslieblings Santiago Garcia. Nachdem Santiago in der 74. Minute das Siegtor für Werder erzielt hatte, kam er in die Ost-Kurve gelaufen, um seinen Bruder im Getümmel zu umarmen.

Der argentinische Neuzugang Santiago Garcia steht für eine neue Mentalität in der Bremer Mannschaft, die der spielerisch weitgehend enttäuschenden Bundesliga-Hinrunde noch einen versöhnlichen Abschluss ermöglicht hat. Während Leverkusens Trainer Sami Hyypiä bedauerte, dass seiner hoch überlegenen Mannschaft „die letzte Überzeugung“ gefehlt habe, entschied Garcia zum zweiten Mal nach dem 3:2-Sieg gegen Hannover 96 ein Spiel mit einem Tor, das man der puren Willenskraft zuschreiben muss.

“Obwohl wir tief hinten drin standen, haben wir aber immer mit der Überzeugung gespielt, dass wir vorn unsere Chancen bekommen“, sagte Abwehrchef Sebastian Prödl. Diese Überzeugung nährte neben Linksverteidiger Garcia vor allem Aaron Hunt, der unermüdlich Entlastungsbälle nach vorne schleppte. „Ich weiß auch nicht, was unser linker Verteidiger da vorne plötzlich wollte“, sagte Hunt schmunzelnd zu Garcias entscheidendem Treffer.

“Die Mannschaft hat eine Gabe, die nicht viele Teams haben“, beschreibt Robin Dutt diese Mentalität. „Egal nach welchem Rückschlag – als Trainer hattest du immer das Gefühl, dass jeder ab Dienstag, Mittwoch wieder bereit ist, sich in die nächste Aufgabe zu stürzen.“

Rückschläge gab es in dieser Saison genug. Dem guten Start folgte die 0:3-Heimniederlage gegen Eintracht Frankfurt, dem Derby-Sieg in Hamburg eine Reihe enttäuschender Unentschieden, dem Erfolg über Hannover 96 der Absturz mit dem 0:7-Debakel gegen Bayern München. Die Mannschaft schien sich mit Herbstbeginn eher zurückzuentwickeln statt nach vorne, wie von Robin Dutt in Aussicht gestellt.

Am meisten haben diese Wellentäler am Trainer selbst gezehrt – das wurde am Samstag deutlich. Völlig erschöpft, sich mit den Händen am Tisch abstützend, nach Worten ringend, gab er eine Stunde nach Spielschluss zu, gerade einen der emotionalsten Momente zu erleben, seit er in Bremen sei: „Ich bin glücklich, auch wenn es natürlich nur eine Momentaufnahme ist.“

In den letzten sechs Monaten, die ihm nach eigener Aussage wie sechs Jahre vorgekommen seien, ließ sich Dutt auf den gleichen Entwicklungsprozess ein, den er für seine Mannschaft beansprucht. Schnell erkannte er, dass er an zwei Fronten gefragt war: Nach innen musste er die nach der Vorsaison verunsicherte Mannschaft aufrichten, nach außen Geduld einfordern und Perspektiven aufzeigen. Schließlich verfügt im neuen Trainer-Manager-Gespann bei Werder anders als im alten eher der Coach über die Fähigkeit, den richtigen Ton zu treffen.

Nach der Bayern-Klatsche zog sich der Rhetoriker Dutt dann in die verbale Wagenburg zurück, um den Giftpfeilen aus dem Weg zu gehen. Nun, nach dem Weihnachts-Happyend, öffnet er sich wieder und zeigt sich unverstellt emotional. Er bekennt, dass er „aus dem Bauch“ heraus die Entscheidung gefällt habe, den gerade genesenen Sebastian Prödl aufzustellen, der das Werder-Bollwerk gegen Leverkusen zusammenhielt. Er entschuldigt sich für die sehr defensive Taktik und manch einer meinte, feuchte Augen zu erkennen, als er über die Fans sprach: „Wie uns alle am Ende eines so schwierigen Jahres angefeuert haben – dafür fehlen mir die Worte.“

Die Worte fehlten einem auch, als im Gästeblock ein Transparent ausgerollt wurde, das nur als Angriff auf die antisexistische und antihomophobe Arbeit der Bremer Ultras zu verstehen ist: „Emanzen auf den Zaun geschickt, Männer in den Arsch gefickt – Mentalita Ultra Brema“, lautete die homophobe Entgleisung. Dass die Bremer Ultras nicht nur im Support, sondern auch politisch meist den richtigen Ton treffen, scheint männerbündisch orientierte Fangruppen andernorts zunehmend zu irritieren.

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