: Peking hält seinen alten Genossen die Treue
SANKTIONEN Ob der Druck auf Nordkorea wirkt, hängt ganz allein von China ab. Bisher läuft der Grenzverkehr wie gehabt, berichten Augenzeugen
PEKING taz | Nordkoreas Führung wettert gegen die USA und den Rest der Welt – aber China wird mit keiner Silbe erwähnt. Dabei hatte die Volksrepublik vor drei Wochen im UN-Sicherheitsrat die Verschärfung der Sanktionen mitgetragen und sie damit überhaupt ermöglicht.
Dass Nordkorea den einstigen Verbündeten in den täglichen Hasstiraden verschont, dürfte einen Grund haben: Ein Großteil von Nordkoreas ausländischem Vermögen steckt in der Volksrepublik. Nach Angaben der südkoreanischen Zeitung Chosun Ilbo liegen auf geheimen Konten „Hunderte Millionen Dollar“ aus dem Nachbarland. Dorthin hatte Pjöngjang seine Bankgeschäfte verlegt, nachdem US-Geheimdienste in den vergangenen Jahren weltweit über 200 Konten des nordkoreanischen Regimes aufgespürt hatten.
Sollte Peking die UN-Resolution ernsthaft durchsetzen, „könnte dies Nordkoreas Aufrüstungsaktivitäten tatsächlich ernsthaft unterbrechen“, glaubt der Nordkorea-Beobachter Marcus Noland vom Peterson Institute in der US-Hauptstadt Washington. Aber auch ansonsten ist China seit Jahren die wirtschaftliche Lebensader Nordkoreas: Das gesamte Öl sowie ein Großteil der Lebensmittelunterstützung wird über die Volksrepublik eingeführt. Machten 2006 chinesische Produkte noch 43 Prozent der Importe in Nordkorea aus, waren es vergangenes Jahr mehr als 95 Prozent. Nach Angaben des chinesischen Handelsministeriums wurden 2012 Exportgüter im Wert von umgerechnet rund 2,7 Milliarden Euro in den Nachbarstaat geliefert.
Tatsächlich ist derzeit unklar, wie sehr sich Peking an die UN-Sanktionen gegen Nordkorea hält. Zumindest unmittelbar nach dem jüngsten Atomtest Mitte Februar hatte die chinesische Führung verkündet, sie werde an Plänen für eine Freihandelszone mit dem Nachbarland festhalten. Das war zwar, wenige Tage bevor der UN-Sicherheitsrat die Verschärfung der Sanktionen verhängte. China hatte mit den USA zu diesem Zeitpunkt die wesentlichen Eckpunkte aber bereits ausgehandelt. Augenzeugen an der chinesisch-nordkoreanischen Grenze berichten, dass der Lkw-Verkehr weiter normal verlaufe.
Die jüngsten Äußerungen der Führung in Peking lassen vermuten, dass China auch politisch zurückrudert. Der Konflikt mit Nordkorea lasse sich nicht allein mit Sanktionen lösen, sagte der chinesische Außenminister Yang Jiechi vergangene Woche. Der Streit müsse auf einem anderen Weg gelöst werden. Wie dieser andere Weg aussehen sollte, sagte der Minister nicht. FELIX LEE