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Engagement für Flüchtlinge„Das ist gegen jedes Gesetz“

Die Initiative „Willkommen im Westend“ unterstützt Flüchtlinge in Charlottenburg. Ein Gespräch mit den Koordinatorinnen.

Containerunterbringung von Flüchtlingen, hier in Köpenick. Bild: dpa
Interview von Fanny Lüskow

taz: Amei von Hülsen-Poensgen, Felicitas Karimi, Sie koordinieren die ehrenamtliche Hilfe für die Flüchtlinge, die Mitte Dezember in die Notunterkunft im Sportzentrum der Technischen Universität (TU) an der Waldschulallee eingezogen sind. Was sind dort die drängendsten Probleme?

Felicitas Karimi: Die Unterbringung in der TU-Sporthalle unterscheidet sich ganz extrem von allem, was wir bisher erlebt haben. Es gibt dort viele Menschen, die überhaupt nicht erfasst werden. Sie werden vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) dorthin geschickt, ohne Krankenscheine, Taschengeld und teilweise ohne Fahrkarten und sind bis zu ihrem nächsten Termin beim Lageso völlig in der Schwebe. Niemand weiß, was mit den Leuten ist, ob sie krank sind und ob sie überhaupt in der Halle leben können.

Amei von Hülsen-Poensgen: Ursprünglich war geplant, dass die Menschen drei bis fünf Tage dort sind und sie dann in Erstaufnahmeeinrichtungen oder Wohnheimen untergebracht werden. Das findet zum Teil statt, aber bei vielen auch nicht. Wenn Leute dort sechs Wochen verbringen, dann haben sie einen ganz anderen Betreuungsbedarf als jemand, der nur drei Tage ein Dach über dem Kopf braucht. Die gesamten Strukturen in der Halle sind auf eine kurze Wohndauer ausgelegt. Bei 200 Leuten vor Ort ist eine Einzelfallbetreuung, Asylberatung und psychologische Betreuung nicht möglich.

Wie klappt das Zusammenleben so vieler Menschen auf so engem Raum?

Von Hülsen-Poensgen: Viele Leute sind tagsüber gut beschäftigt, stehen vor dem Lageso an, um Formalitäten zu erledigen. Aber natürlich gibt es Spannungen, zum Beispiel wenn die Syrer sagen: „Warum kommt die bosnische Familie so viel schneller raus als wir?“ Im Großen und Ganzen funktioniert es aber erstaunlich gut.

Wie hat sich das Bündnis „Willkommen im Westend“ zusammengefunden, und was sind ihre Aufgaben?

Karimi: Das Bündnis hat sich im Mai 2013 als Reaktion auf rassistische Flugblätter und Unterschriftenlisten gegen das geplante Flüchtlingsheim in der Soorstraße gegründet. Damals haben sich Menschen aus Nachbarschaft, Initiativen, Parteien und Flüchtlingsgruppen zusammengetan. Es fallen unterschiedliche Arbeiten an: Erstens eine Willkommenskultur in der Nachbarschaft schaffen und erhalten. Zweitens das Engagement für die Rechte der Flüchtlinge. Drittens die berlinweite Vernetzung mit anderen Initiativen. Im Kern sind wir etwa fünf bis zehn Leute, aber durch die Situation in der TU-Sporthalle hat die Initiative wieder starken Zulauf.

Wie gehen Sie vor: Schauen Sie, wo der Bedarf liegt, und organisieren Hilfe, oder gehen Sie von den potenziellen HelferInnen aus und machen das, was diese anbieten können?

Im Interview: Felicitas Karimi und Amei von Hülsen-Poensgen

Felicitas Karimi

44, Psychologin, Mitglied der Linken in Charlottenburg-Wilmersdorf, bis Herbst 2014 im Bezirksvorstand. Sie ist Mitgründerin von "Willkommen im Westend".

Amei von Hülsen-Poensgen

53, Juristin, leitet eine Internetfirma für Fair Trade und soziale Produkte in der Schweiz und arbeitet nebenbei freiberuflich als Beraterin für Start-ups.

Karimi: Wir haben die Leute, die schon vor Ort tätig waren, gefragt, wo ihr Interesse liegt. Dabei haben sich vier Gruppen herauskristallisiert: Die Gruppe derer, die mit Kindern spielen, basteln, singen, lernen und Veranstaltungen organisieren. Die Gruppen „Spenden sortieren“ sowie „Begleitung“: Da arbeiten Menschen, die einzelne Flüchtlingsfamilien betreuen oder zu Ämtern begleiten. Und es gibt die Gruppe „Deutschunterricht“.

Wäre das nicht alles Aufgabe des Staates?

Von Hülsen-Poensgen: Eigentlich schon, aber das Lageso ist komplett überlastet, die Sachbearbeiter gehen völlig unter – und die Sozialarbeiter in der Halle sind ebenfalls überfordert. Eigentlich gibt es niemanden, der sich um die Menschen kümmert. Wenn wir das nicht als Ehrenamtliche tun, dann tut es keiner. Mit der anfallenden Arbeitsbelastung verbrennen wir aber unsere Ehrenamtlichen.

Karimi: Genau. Wir sind nicht dazu da, völliges Versagen des Senats aufzufangen. Dann kann es nämlich auch sein, dass uns die Leute abspringen und sagen: „Das ist uns zu viel, dass können wir nicht mehr leisten.“

Welche Erfahrungen haben Sie mit den Anwohnern gemacht?

Karimi: Ich bin überwältigt davon, wie viel Hilfsbereitschaft, Interesse und wirklicher Willen, die Flüchtlinge willkommen zu heißen, im Bezirk herrschen. Diese positive Stimmung habe ich woanders noch nicht erlebt und auch nicht erwartet.

Wie erklären Sie sich das?

Von Hülsen-Poensgen: Zum einen erkläre ich mir das mit den aktuellen Protestmärschen, denn ich höre sehr häufig von Ehrenamtlichen: „Das ist das, was ich gegen Pegida tun kann, und das, was mich aus dem stillen Denken in das aktive Tun bringt. Es ist wichtig, dass Deutschland nicht nur als fremdenfeindlich wahrgenommen wird“. Zum anderen war durch das Bündnis schon eine Ehrenamtlichenstruktur vorhanden, sodass Freiwillige schnell an Bisheriges anknüpfen konnten.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Von Hülsen-Poensgen: Mein kurzfristiges Ziel wäre, mich mit Träger, Lageso und Ehrenamtlern an einen Tisch zu setzen und zu überlegen, wie man die Menschen schneller aus der Halle herausholt, Notfälle schneller versorgt und den akuten Mangel besser in den Griff bekommt. Ich wünsche mir auch eine bessere Informationspolitik. Es kann nicht sein, dass der Betreiber erst einen Tag vor Ablauf der Frist davon erfährt, dass die Unterkunft noch zwei weitere Monate bestehen bleibt.

Karimi: Ich wünsche mir, dass der Änderungsbedarf vonseiten des Lageso erkannt wird. Es geht nicht, dass Menschen über einen so langen Zeitraum auf diese Weise untergebracht sind. Das ist menschenunwürdig und gegen jedes Gesetz. Entweder die Menschen bleiben nur kurz in so einer Unterkunft oder die Strukturen werden an eine längere Wohndauer angepasst, wie etwa durch Bereitstellung von Waschmaschinen oder die Schaffung einer bezahlten Stelle zur Koordinierung des Ehrenamts. Auch sollten Gelder für ehrenamtliches Engagement zur Verfügung gestellt werden, denn die Leute müssen angeleitet und in ihrer Motivation unterstützt werden.

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