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Nicht jammern, sondern klagen!

FAKTENCHECK Ab 1. August ist es so weit, Kitaplätze können eingeklagt werden. Was ist dabei zu beachten?

Wer kann klagen?

Sorgeberechtigte Mütter und Väter, die ab 1. August für ihre unter Dreijährigen keinen Kitaplatz bekommen. Ab diesem Tag gilt der Rechtsanspruch auf eine Betreuung außer Haus.

Wo können Betroffene ihre Klagen einreichen?

Beim Verwaltungsgericht oder bei den ordentlichen Zivilgerichten (Amts- und Landgerichten).

Müssen Eltern mit Kosten rechnen?

Haben die Klagewilligen eine Rechtsschutzversicherung, sollten sie nachfragen, ob der Versicherungsanbieter die Kosten für die Kita-Klage übernimmt. Betroffene ohne einen solchen Versicherungsschutz müssen in Vorkasse gehen. Das kann teuer werden. GeringverdienerInnen und Hartz-IV-EmpfängerInnen können Prozesskostenbeihilfe beantragen.

Ist es sinnvoll, wenn sich mehrere Eltern zusammenschließen und eine Sammelklage einreichen?

Sammelklagen gibt es in Deutschland nicht, der Begriff hat sich hier aus dem Amerikanischen eingebürgert. Gemeint sind eher Musterklagen. Aber die sind unrealistisch, weil jeder Fall, vor allem bei der Kinderbetreuung, individuell ist und genauso behandelt werden muss.

Führt eine Klage zum begehrten Kitaplatz?

Kaum. Wo es keine Plätze gibt, gibt es keine. Die Kommunen und Gemeinden werden aber versuchen, den Eltern entgegenzukommen und damit Klagen zu verhindern. So könnten verstärkt Tagesmütter und -väter bezahlt werden.

Wird dadurch die Betreuungsqualität gesenkt?

Gesetzlich ist genau festgelegt, wie viele Kinder in einer Gruppe sein dürfen und wie viele Kinder eine Tagesmutter haben darf. Auch Hygieneregeln und Sicherheitsstandards sind vorgeschrieben. Das ist nicht so leicht zu ändern. Es könnte aber sein, dass Gruppenzahlen kurzfristig erhöht werden, wie eine Sprecherin des Deutschen Städte- und Gemeindebunds sagt.

Was können Eltern einklagen, wenn sie keinen Kitaplatz bekommen?

Sie könnten der Kommune beispielsweise ihren Verdienstausfall in Rechnung stellen, weil sie aufgrund der Kinderbetreuung nicht arbeiten gehen können.

Mit welchem Erfolg?

Solche Prozesse sind kompliziert, können über ein Jahr dauern und sind nicht in jedem Fall erfolgversprechend. Vermutlich wird es nicht viele solcher Klagen geben. Eltern müssten zweifelsfrei beweisen, dass sie alle Möglichkeiten, ihr Kind in einer Kita, bei einer Tagesmutter oder anderswo unterzubringen, vollkommen ausgeschöpft haben. Wenn Kommunen Eltern beispielsweise eine Tagesmutter anbieten, die die Eltern ablehnen, weil sie diese als nicht geeignet ansehen, gilt das bereits als „nicht ausgeschöpft“.

Können Eltern eine individuelle Kinderbetreuung organisieren und diese Kosten an die Kommune weiterreichen?

Das können sie versuchen. Im Mai 2012 hatte eine Mutter in Mainz geklagt, weil die Stadt, in der der Rechtsanspruch bereits gilt, ihr keinen Platz zur Verfügung stellen konnte. Die Mutter hatte ihre Tochter daraufhin in eine private Einrichtung gebracht und diese Kosten dafür bei der Stadt eingeklagt. Mit Erfolg.

Darf es auch eine sehr teure Tagesmutter sein?

Nein. Eltern sind verpflichtet, die Kosten geringzuhalten.

Müssen Kommunen die auf sie zukommenden Kosten allein tragen? Schließlich hat der Bund den Kitaausbau beschlossen.

Richtig. Aber einen finanziellen Ausgleich zwischen Bund und Kommunen gibt es nicht. Erhöhte Kosten, ausgelöst durch zahlreiche Klagen, müssen die Kommunen selbst tragen. Die Kommunen bekommen vom Bund für den Kitaausbau aber Zuschüsse: Ab 2015 gibt es jährlich 845 Millionen Euro für den dauerhaften Betrieb neu geschaffener Kitaplätze.

Wo ist der Kitaplatzmangel am größten?

In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Bayern und dem Saarland. In den neuen Bundesländern gibt es traditionsgemäß mehr Kitas, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt.

SIMONE SCHMOLLACK

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