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Archiv-Artikel

berliner szenen Vor Brauereimauern

Bier schwitzen

Vor kurzem kam Besuch aus Süddeutschland. Ich hatte ein genaues Programm ausgearbeitet, vom Regierungsviertel bis zum Markt am Maybachufer, alles was eben dazugehört. Als wir abends beim Bier aus grünen Flaschen saßen, fragte mich der Besuch: „Sag mal, gibt es eigentlich kein Bier aus Berlin?“ – „Doch, klar“, antwortete ich, „trinkt bloß niemand“, worauf mein Gegenüber meinte: „Weißt du was, lass uns doch mal eine Brauerei besichtigen.“

So etwas kann nur Süddeutschen einfallen, dachte ich mir und googelte dann doch nach Brauereien. Ich stieß auf „Führungen montags bis donnerstags, 10 bis 14 Uhr, Rundgang mit Verkostung und Eisbein“ und freute mich insgeheim, dass es schon Freitag war. Wir verschoben die Brauereitour auf das nächste Jahr.

Wenig später verirrte ich mich nach Weißensee. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt eierte ich mit dem Fahrrad über glitschige und glatte Bürgersteige irgendwo im Nichts, wo es weder Menschen noch Häuser gab. Dann erhob sich auf der rechten Seite ein dunkelroter Backsteinbau. Gleichzeitig stieg mir von dort her der Geruch warmen Hopfens in die Nase. Es schien, als würde der alte Backstein aus jeder Pore Bier ausatmen, so wie ein langjähriger Gewohnheitstrinker.

Übelkeit stieg in mir auf, sofort erinnerte sich mein Magen schlecht gelaunt an das eine Bier des Vorabends, das zu viel gewesen sein musste. Am Tor des Backsteingebäudes stand „Brauerei“. Ich wunderte mich, wie frisch gebrautes Bier schon so abgestanden riechen konnte. Die Übelkeit nahm zu, und auch die von der Kälte betäubten Kopfschmerzen regten sich wieder. Es half nur eines: schnell weg! Doch der vereiste Bürgersteig zwang mich zur Geduld. JUTTA BLUME