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Archiv-Artikel

Eine lancierte Indiskretion?

TRANSFERCOUP Mario Götze wechselt für 37 Millionen Euro zu Bayern München. Für Borussia Dortmund eine Botschaft zur Unzeit. Dennoch ruft Trainer Klopp die wütenden BVB-Fans zur Geschlossenheit auf

Ausbeutung der Konkurrenz

■ Von Borussia Dortmund zu Bayern München: Mario Götze (37 Millionen Euro, Saison 2013/14), Thorsten Frings (9,25 Millionen Euro, 2004/05)

■ Von Werder Bremen zum FC Bayern: Miroslav Klose (15 Millionen Euro, 2007/08), Valérien Ismael (8,5 Millionen Euro, 2005/06), Claudio Pizarro 8,2 (Millionen Euro, 2001/02)

■ Von Bayer Leverkusen zum FC Bayern: Lucio (12 Millionen Euro, 2004/05), Ze Roberto (12 Millionen Euro, 2002/03), Robert Kovac (8,25 Millionen Euro, 2001/02)

■ Von Mönchengladbach zum FC Bayern: Dante (4,7 Millionen Euro, 2012/13), Marcell Jansen (14 Millionen Euro, 2007/08)

■ Von Schalke 04 zum FC Bayern: Manuel Neuer (22 Millionen Euro, 2011/12)

■ Vom Hamburger SV zum FC Bayern: Daniel van Buyten (8 Millionen Euro, 2006/07), Niko Kovac (5,5 Millionen Euro, 2001/02)

AUS DORTMUND DANIEL THEWELEIT

Es war ein ziemlich glaubwürdiges Lächeln, das Jürgen Klopp im Gesicht trug, als er am Dienstag vor die Presse trat, um eine überaus bittere Nachricht zu kommentieren. In den Stunden zuvor war bekannt geworden, dass Mario Götze im Sommer wegen einer Ausstiegsklausel in seinem Vertrag für 37 Millionen Euro zum FC Bayern München wechseln wird. Er selbst wisse schon seit knapp zwei Wochen von der Entscheidung. „Ich habe gemerkt, die Zeit heilt nicht alle Wunden, aber sie hilft beim Heilen auf jeden Fall“, versuchte er zu beruhigen. Der Trainer richtete schließlich einen Appell an die Dortmunder Anhänger: „Lasst uns morgen einen ganz speziellen, einen besonderen, einen BVB-Abend machen und gegen Real Madrid gewinnen.“

Dass die Fans ihm diesen Wunsch erfüllen, ist keineswegs sicher. Im Internet war zuvor ein Shitstorm über Götze hinweggefegt. 2.700 Kommentare waren dort innerhalb von zwei Stunden eingegangen. „Du warst mein absoluter Lieblingsspieler auf der ganzen Welt und jetzt empfinde ich nichts mehr außer Verachtung und Wut, wenn ich deinen Namen höre!!“, verkündete ein Nutzer. Ein anderer schrieb nur: „Geld!“ Klopp bat die BVB-Fans, die Sache während des Spiels zu vergessen und seine Mannschaft konstruktiv zu unterstützen.

Zu seiner Strategie der Entdramatisierung gehörte auch, dass er versuchte, die Beweggründe seines Zöglings zu erklären. Götze sei eben „der Wunschspieler von Pep Guardiola“, erläuterte Klopp, „er möchte sich diese Chance, mit diesem außergewöhnlichen Trainer zusammenzuarbeiten, nicht entgehen lassen“. Was dem verständigen Dortmunder Fußballlehrer aber nicht gefiel, war der Zeitpunkt der Veröffentlichung: „Jeder kann sich vorstellen, warum das geschehen ist, aber wer auch immer wollte, dass wir in der Vorbereitung auf das Spiel gestört werden, wir werden alles dafür tun, dass er keinen Erfolg hat.“

Wobei den Zuhörern am Ende der Pressekonferenz nicht klar war, wen er nun der Indiskretion beschuldigte, wenn nicht den Konkurrenten aus München. „So weit geht die Rivalität dann doch nicht“, widersprach er diesem naheliegenden Gedanken. Dass sich das Verhältnis der beiden besten deutschen Klubs der Gegenwart in dieser Woche noch weiter abkühlt hat, kann man aber nicht übersehen.

„Bayern wird weiter an die Toptalente herangehen“, sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke schon vor den Ereignissen um Götze gegenüber der Sport-Bild. Die Strategie der Münchner sei seit vielen Jahren gleich. „Wir kalkulieren Angriffe aus München ein.“ Unmittelbar nach der Auslosung waren die Champions-League-Halbfinals als Großduell zwischen Spanien und Deutschland inszeniert worden. Das ist nach diesem Tag nicht mehr so. Denn das Einzige, was den Münchnern ihre Rekordsaison noch verderben könnte, wäre ein BVB, der die Bayern international überflügelt. In dieser Sorge könnte eine Erklärung für das frühe Bekanntwerden des Sensationstransfers liegen. Denkbar wäre auch, dass die Münchner gerade ein paar grelle Schlagzeilen jenseits ihrer Präsidentenaffäre gebrauchen können. Deshalb habe irgendwer an der Säbener Straße die Sache mit dem Wechsel lanciert, glaubten zahlreiche Beobachter. Beweisen lässt sich das nicht.

Doch nun ist die Meldung auf dem Markt, und sie tangiert nicht nur Götze. Wie Robert Lewandowski darauf reagiert, ist ungewiss. Nach dem Wechsel Götzes und dank gewaltiger Saisoneinnahmen braucht der BVB zukünftig kein Geld, sondern gute Spieler. Es galt als wahrscheinlich, dass auch der beste Torjäger (Vertrag bis 2014, keine Ausstiegsklausel) der Liga auf eigenen Wunsch nach München transferiert wird. Dass der BVB diesen nun ziehen lässt, ist nicht zu erwarten. Eine konzentrierte Vorbereitung auf Real ist angesichts dieser Unruhe wahrlich nicht möglich, aber Klopp wäre nicht Klopp, wenn er die Ärgernisse nicht in einen Vorteil verwandelt hätte: „Das ist eine klassische Jetzt-erst-recht-Situation“.