: Jenseits der Flügel
Durch Reinhild Hugenroths Kandidatur gibt es nun doch zwei Kandidatinnen für den grünen Landesvorsitz
Ein Kandidat und eine Kandidatin für die neu zu besetzende Doppelspitze – dem Mitte Februar stattfindenden Landesparteitag der nordrhein-westfälischen Grünen drohte bereits die gähnende Langeweile. Aber nun könnte es doch noch spannend im Essener Congress-Centrum werden: Neben dem „Realo“ Arndt Klocke und der Parteilinken Daniela Schneckenburger, die ihre Kandidaturen für den Landesvorsitz schon länger angekündigt hatten, will inzwischen auch noch Reinhild Hugenroth ihren Hut in den Ring werfen. „Ich glaube, ich bin ein gutes Angebot“, sagt die 42-jährige Politikwissenschaftlerin aus Mülheim.
Im Falle ihrer Wahl würde Hugenroth die traditionell sorgsame Austarierung der Flügel an der Parteispitze durcheinander bringen. Denn obschon ursprünglich vom linken Flügel kommend, möchte sie sich „dezidiert“ nicht in das klassische grüne Strömungsraster einpassen lassen. Das alte Lagerdenken sei überholt. Und das meint Hugenroth nicht nur in Bezug auf die grüne Partei: Schon vor der Bundestagswahl, als ihre Partei noch fest auf Rot-Grün eingeschworen war, plädierte sie in einem Beitrag für das Magazin Cicero für Schwarz-Grün als weitere mögliche politische Option. Ein Zusammengehen des „bürgerlich konservativen“ und des „alternativ-neu-bürgerlichen“ Milieus sei „nicht nur möglich, nein, es wird Neues bewirken“, warb sie gemeinsam mit Stefan Zowislo. Mit dem Ex-Geschäftsführer der Mülheimer CDU und heutigen WAZ-Marketingchef praktiziert Hugenroth bereits ganz persönlich Schwarz-Grün: Seit elf Jahren sind die beiden ein Paar, seit fünf verheiratet.
Die auf einem Bauernhof aufgewachsene Hugenroth ist kein politischer Newcomer. Ab Ende der 70er Jahre war sie zunächst in der Katholischen Landjugendbewegung aktiv, zuletzt drei Jahre lang als hauptamtliche Bundesvorsitzende. In diese Zeit fiel auch ihr Umzug aus dem „tiefsten Münsterland“ nach Bonn, wo sie sich in diversen Initiativen engagierte. 1992 wurde Hugenroth nach längerem Liebäugeln grünes Mitglied: „Sich für eine Partei zu entscheiden, braucht seine Zeit“, erklärt sie.
Von 1991 bis 1998 arbeitete sie beim Europaparlament, davon zwei Jahre als Geschäftsführerin der grünen Europagruppe. Der Europapolitik gilt bis heute ihre Leidenschaft. Daneben sieht die Dozentin im Diakoniewerk Arbeit und Kultur in Mülheim, die seit 1997 an der Ruhr lebt, die Beschäftigungspolitik und die Weiterbildung als ihre Schwerpunkte an. PASCAL BEUCKER